Techtel und Mechtel

Oblomow, Donnerstag, 27. Juni 2013, 07:15 (vor 3955 Tagen) @ Alex

http://www.berliner-zeitung.de/panorama/trabi-chefkonstrukteur-gestorben-er-bewegte-ein...

Ich hoffe, ein Exemplar dieser Kultbaureihe hat einen Ehrenplatz in Oblomows Remise, gefunden, neben den hundert Kartons mit russischen 100 W Glühbirnen.

Um mal wieder zu einem relativ unverfänglichen Thema überzuleiten ............... ;-)

Nein, Genosse Cut, zum Glück hat kein 611 in Oblomows Remise einen Ehrenplatz gefunden.
Man sollte ja nicht zu viel 'Privates' im IT preisgeben, aber es waren auch nicht "hundert Kartons mit russischen 100 W Glühbirnen"!! Sondern lediglich 100 Stück 100 W-Glühbirnen (neben 50 à 75W, ebensoviele 40W und 20x25W. Ich liebe gedämpftes Licht, die bösen Detailles haben Chancen, in der Dämmerung zu verschwinden), wobei mindestens ein Drittel bereits den Weg in den Restmüll gefunden hat. Die Qualität von "LUX" ist wirklich nicht die beste, obwohl auf der Einzelverpackung dick und im Fettdruck geschrieben steht: "Garantiert 1000 Stunden"! Was immer mit 1.000 Std. gemeint sein mag. Die Brenndauer ist es nicht.

Meine Erfahrungen mit "dem" Trabbi sind begrenzt, gefahren habe ich ihn nie, bin nur mitgefahren. Die erste Fahrt, so am 10. oder 11.Nov.1989, war eindrucksvoll, nicht nur, weil ein sympathischer Bessener - mit starrem Blick nach vorn - am Volant saß und wie ein wahnsinniger an der ersten Ampel einen Blitzstart veranstaltete und auf den weiteren Metern der Magistrale von der Meute der größeren Limousinen gehetzt wurde (den Eindruck konnte man jedenfalls gewinnen), nein, die Route führte durch die Stalinallee (zu dieser Zeit hieß sie allerdings schon Karl-Marx). Wie eindrucksvoll, als wir zwischen den beiden Wohntürmen am StrausbergerPlatz durchrasten, die ich hatte wachsen sehen, als ich klein war, mit riesigen Holzgerüsten und tausenden Ameisen-Arbeitern, die die Neue Stadt im russisch-gigantomanischen Zuckerbäcker-Stil des sozialistischen Klassizismus errichten sollten.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Strausberger_Platz_Berlin_April_2006_109.jpg

M. war ein Ost-Desperado, ein Schwerter zu Pflugscharen-Aktivist. Und (nach eigener Auskunft) ein guter Kommunist. Ich hatte ihn in der Nacht vom 9. auf den 10. in der politisch selbständigen Einheit W-Berlin kennen gelernt - in irgendeiner total überfüllten, verrauchten Kneipe, Seitenstraße Kudamm, bei bester Stimmung, es war kalt, draußen waren Jubelschreie zu hören, wenn ein Doppeldecker Bus mit der Werbeaufschrift "Gorbatschoff-Wodka" vorbeifuhr. Da der Aufkleber mit dem Namen "Gorbatschoff" mindestens über acht Meter lang und groß geschrieben war, das Gesöff aber relativ klein, konnte der einzelne Ostler möoglicherweise glauben, es sei eine Direktwerbung für Gorbi. War's aber nicht. Noch um 4.oo h kamen total überfüllte Busse von den Grenzübergängen, die weiter im Norden (zB Bornholmer Brücke) oder Süden (Neukölln) der Stadt lagen. An der Grenzübergangsstelle Moritzplatz (Kreuzberg) hatte ich am späten Abend die Öffnung live mitbekommen. Wie in aller Verzweiflung der diensthabende Obermacker der NVA (Nationale Volksarmee) seine Mütze in den Staub warf und eigenhändig den letzten Schlagbaum nach WB (Westberlin) demonstrativ öffnete. 200 m dahinter - hinter weiteren Zäunen, Barrikaden (span.Reitern) und Drahtzäunen jubelte das Volk, "unsere Brüder und Schwestern" aus dem anderen Teil. Am CheckPoint Charlie (Friedrichstraße), nur ein Kilometer weiter nördlich war zu diesem Zeitpunkt nur ein Auflauf auf der Westseite. Dennoch konnte man im Kaffee 'Adler' , das keine 5m von der Mauer entfernt lag, keine Himbeerlimo im Stehen bekommen. Das den Laden führende Kollektiv war schon bei nachmittaglichem "Ansturm", d.h. bei Erscheinen einer Fünf-Personen-Gruppe total überfordert. Jetzt erst recht.
http://www.flickr.com/photos/weirup/4382198054/

Gegen 0.oo h waren wir beim Brandenburger Tor, da war schon alles gelaufen. Vom Westen aus hatten vielleicht 1000 Leutchen die Mauer des Tor-Vorplatzes überstiegen und den Vorplatz besetzt. Dann waren sie aber von VoPos (Volkspolizisten) wieder zurückgedrängt worden und saßen oder standen auf der Mauerkrone. Nach O-Berlin war kein Abstieg mehr möglich, die VoPos hatten keine Wasserwerfer aber Löschschläuche (mit 3°C Wasser) im Einsatz. Und es war eine furchtbar kalte Nacht.
Hände wurden gereicht und man zog auch mich hinauf auf das Bollwerk, das unser Leben 28 Jahre oder mehr so intensiv geprägt hat. Wo die vielen Sektflaschen herkamen, kann ich mir nicht erklären. Hinter dem Brandenburger Tor sah man die hier artigen Bewohner Ost-Berlins, die noch hofften, dass das Tor noch in dieser Nicht aufgemacht würde. Wurde es aber nicht.
Mit dem Deichgrafen (mein damaliger Köter) machte ich einen ruhigen Spaziergang durch den Tiergarten, bis er sich vor dem russischen Ehrenmal lösen konnte. Nachdem er dem Genossen Stalin (oder dessen Vertreter) vor die Füße geschissen hatte, flüchteten wir in Richtung Auto, das ich in der Menschenmenge kaum finden konnte. Kaum steckte ich den Schlüssel ins Türschloß, rief mir ein jüngerer Mann zu: "Nimmst mich mit, ick komme ausen Osten?" Ich antwortete:"NaKlar, wo willsten hin?"
"Na zum Kudamm, kenn ick nur aussen Fernsehn." ( "Ick-ooch" wollte ich sagen, verkniff es mir aber, um nicht den Eindruck der Verarschung zu erwecken.) ..... "Ick muß ooch mit" ....... prompt standen 8-12 Leute um meinen Kleinwagen, die alle einen Transfer wollten. Ich gab noch zum überlegen, dass mein Rüde (der gegenüber Menschen nicht der freundlichste war) auch noch etwas Raum beanspruchte. Der Erstfrager, ein pfiffiger Berliner, meinte:"Binten an Baum, kommst doch sicher nochma wieder. Den nimmt doch keener!" Und ne kesse Göre sagte noch:"Ick nehm ihm uffen Schoß, ick liebe Hunde." .... Na, dann ....

Langsam kroch mein kleiner Renault in Richtung der westlichen City, bepackt mit: Der Köter hockte halb auf meinem Sitz, halb zwischen den Vordersitzen, auf dem Beifahresitz hatte ein (190cm) junger Mann eine zierliche Frau auf dem Schoß, auf der Rückbank 4, im Kofferkasten (quer in Hockstellung) zwei, die mit den Knien unter dem Kinn nach hinten (raus)schauten. Der Wagen lag auf den Gummipuffern, die das weitere Absenken begrenzen, wenn die Federn "am Ende" angelangt sind. Die Fronthaube zeigte in den dunklen Himmel, wie bei einer kleinen Cesna in der Startphase, nur dass ich den Bodenkontakt hier noch überdeutlich spürte. Sofort wurden sämtliche Radiosender abgescant, denn keiner wußte so genau die Lage. Auch ich hatte zuletzt so circa um 20.00 h im Fernsehen die entscheidende Pressekonferenz gesehen.
So landeten wir doch unbeschadet am Kudamm. Da wolltense hin. Da waren die anderen, die Nachbarn, die Kollegen. O-Berlin muß zu diesem Zeitpunkt still und menschenleer gewesen sein. Wohl nur in Pankow brannte noch das Licht.

Aber, Herr Cut, ich wollte Ihnen ja meine "dollen" Erlebnisse als Beifahrer im Trabbi erzählen, aber dazu komme ich jetzt nicht mehr. Nehmen Sie die obige Erzählung als Einleitung ....... über Trabbis erzähle ich bei Gelegenheit.
Übrigens: Die Farbe der Trabbis war (in allen drei Fällen) verblichenes hellblau, nur die Abstufungen der Ausgeblichenheit unterschied sie. Genauer gesagt, erinnerten sie mich an die an die schöne preussische Bezeichnung der KPM: "bleue morant". Ein "sterbendes Blau", wie schön, nicht wahr. Und wie sinnbildlich passend i.d.Z.
Als hätten die alten Preußen das Trabbi-Desaster schon vor 250 Jahren geahnt.

Mir fällt gerade auf: Jetzt habe ich gar nichts über Frauen erzählt, ......... Sie, werter Final, werden nun enttäuscht sein?! Sorry.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum