Die Wahrheit des Tages
findet man hier
http://www.zeit.de/2003/36/Feindbild
Die Wahrheit des Tages
Es gibt zwar nichts Wahres im Falschen, aber das
ist dann doch recht nahe dran.
Die Wahrheit des Tages
Wahrheit des Tages?
WC (Wohl Caum). Der aktuelle Aufruhr um die
aktuelle Ehrenrettung für palästinensische
Selbstmordattentäter durch Ted Hondrich ist nichts
grundlegend Neues mehr.
Im Bemühen, zwei unvereinbare Gruppen zum
Schulterschluss zu bewegen, hat sich Ulla
Berkewicz so weit verbogen, dass sie als Brezel
auf dem Münchner Viktualienmarkt durchgehen
könnte, und nur ihrer bekannt guten Fitness ist
das Ausbleiben dauerhafter Schäden zu verdanken.
Die erste Gruppe sind die eingefleischten
Marxisten und Ethnotouristen, die als edition
suhrkamp Leser der Unseld-Stiftung eine wenn auch
magere Rendite sichern. Lehrer,
Rundschau-Redakteure, Lehrer, taxifahrende ewige
Studenten, Soziologen im Feldeinsatz bei Burger
King, und was sonst noch an Früh- bis Spät-68ern
tapfer sich den Fleischtöpfen des Kapitalismus
verweigert.
Für das innere Gleichgewicht dieser Gruppe sind
die ideologisch tief- bis rosaroten Traktate der
edition suhrkamp unverzichtbar. Wenn man schon
angesichts besserverdiender Hanseln mit hübscherer
Freundin vor Neid zerfressen wird, so kann man
doch durch die regelmäßige Lektüre der
Sendschriften aus der Lindenstraße sich unfehlbar
in den Status des Bescheidwissers versetzen.
Adorno und die übrigen Säulenheiligen der
Frankfurter Schule werden hier allen Ernstes bis
heute verehrt. Man hat hier nichts gegen Juden, so
sie nur die "intellektuelle" Tradition der Kritik
am Kapitalismus fortsetzen. Der große Satan im
Kreis der Nationen sind, na klar, die USA, gefolgt
von Israel und (aber dies schon mehr, um den
Franzosen zu Gefallen zu sein) Großbritannien.
Hier ist man der Meinung, die Gründung des Staates
Israel sei wahlweise ein historischer Fehler
aufgrund fehlgeleitetem Mitgefühls oder aber der
Auswuchs europäischen Kolonialismus gewesen. (Dass
man vor 1967 Israel und seine Kibbutzim als
sozialistisches Experiment unterstützte, ist
längst vergessen).
Die zweite Gruppe in Berkewicz´ fehlgeschlagenen
Spagat sind die israelischen Bürger, die in ihrer
weit überwiegenden Mehrheit nicht nur weiterhin in
ihrem eigenen Staat leben möchte, sondern ein
Recht zur auch gewaltsamen Verteidigung in
Anspruch nehmen. Ihnen fühlt sich Berkewicz als
Diaspora-Jüdin verbunden.
Der Versuch, es beiden Gruppen recht zu machen,
führt in die bekannte Sackgasse der moralischen
Äquivalenz.
Berkewicz schreibt "Feindselig ist, wenn der
Moralphilosoph sich die Hamas-Ideologie zu Eigen
macht, indem er die völkermörderischen
palästinensischen Anschläge als moralisch rechtens
verteidigt und Selbstmordattentate, Massenmorde
unterstützt," aber sie kann es nicht dabei
belassen. Sie kennt ihre edition Suhrkamp Leser
und weiss, was man von ihr hören will: "Genauso
feindselig und menschenverachtend wäre es, würde
einer daherkommen und die Morde des israelischen
Militärs an palästinensischen Zivilisten
rechtfertigen."
Wie bitte? Es ist ja nicht so, als ob es keine
jüdischen Terroristen gäbe, deren Taten mit den
Taten von Hamas gleichzusetzen sind. Baruch
Goldstein drang 1994 in Hebron in eine Moschee ein
und knallte kaltblütig 29 friedlich betende
Moslems ab. Es gibt Hinweise darauf, dass in
letzter Zeit eine Reihe von Palästinensern Opfer
jüdischer Siedler geworden sind, die mit
Zielfernrohr und Gewehren aus der Entfernung auf
sie schossen.
Allerdings, wer die Anzahl solcher jüdischer
Anschläge in den letzten Jahrzehnten der Anzahl
palästinensischer Anschläge gegenüberstellt, wird
ein hundert-, wenn nicht tausendfaches Übergewicht
auf Seiten der Palästinenser feststellen.
Um dieser Erkenntnis auszuweichen, und um sich die
Illusion zu bewahren, sie könne ihre Leser besser
überzeugen, wenn sie beide Seiten kritisiert,
stellt Berkewicz unvermittelt die "Morde des
israelischen Militärs an palästinensischen
Zivilisten" an den Pranger.
Was sie damit meint, stellt sie ins Belieben des
Lesers. Jedenfalls wird kein konkreter Fall
genannt.
Es gibt kein Militär weltweit, das so weit geht
wie das israelische, um den Tod von unbeteiligten
Zivilisten zu vermeiden, auch um den Preis
zusätzlicher eigener Opfer (siehe Jenin, zum
Beispiel).
Trotzdem werden immer wieder auch palästinensiche
Zivilisten getroffen, was aber aufgrund der
Umstände in der West Bank und Gaza unvermeidbar
ist. Diese Todesfälle als "Morde" zu bezeichnen,
ist verleumderisch, und nur durch den Wunsch von
Berkewicz zu erklären, ihre linke Kundschaft nicht
zu verprellen.
Damit aber flattert sie in der Luft zwischen zwei
Positionen, die eben unvereinbar sind. Das Ziel,
bei deutschen Linken Verständnis und Unterstützung
für Israel einzuwerben, ist verfehlt, es war auch
nie erreichbar. Hängen bleiben lediglich die
"Morde des israelischen Militärs", und die
Anstrengung war umsonst.