Wieder Terroranschlag nach Gesprächen

BND, Mittwoch, 21. Mai 2003, 15:18 (vor 7856 Tagen) @ Evi Dentz

Verfassungsschutz:
Neonazis informiert
Neuer Verfassungsschutzskandal in Brandenburg: Ein
V-Mann soll Neonazis vor Razzia gewarnt haben...

Heike Kleffner
Kann Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner
Wegesin den dritten V-Mann-Skandal seiner Amtszeit
aussitzen? Oder wird Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) seinen obersten Schlapphut opfern, um das
Ausmaß behördlicher Schlampereien und mangelnder
Führung zu vertuschen? Diese Fragen beschäftigen
die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des
Potsdamer Landtags, die heute zu einer
Sondersitzung zusammenkommt.
Anlass: Am Wochenende hatten Recherchen des
Tagesspiegel und der Märkischen Allgemeinen
Zeitung enthüllt, dass ein Spitzel des
Brandenburger Verfassungsschutzes im Februar 2001
eine Polizeirazzia an einen Neonazi verraten
hatte. Diese Affäre hat das Innenministerium
gegenüber der PKK knapp zwei Jahre verschwiegen.
Besonders brisant: Die Polizei hatte gehofft, mit
der groß angelegten Razzia bei Rechtsextremisten
in Potsdam und Umgebung Hinweise auf die
Neonaziterrorgruppe "Nationale Bewegung" zu
finden. Die Gruppierung hatte sich zwischen Januar
2000 und Januar 2001 zu insgesamt 16 Aktionen
bekannt; dazu gehörte etwa ein Brandanschlag auf
die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in
Potsdam, auch ein türkischer Dönerimbiss wurde
angezündet. Darüber hinaus versandte die
"Nationale Bewegung" antisemitische und
rassistische Drohbiefe und startete
Propagandaaktionen vor jüdischen und linken
Einrichtungen in Potsdam. Die Suche nach
Gruppenmitgliedern liegt seit zwei Jahren in den
Händen der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe
und verlief bisher erfolglos.
Die Razzia im Februar 2001 sollte für Unsicherheit
in der Neonaziszene sorgen. Laut Tagesspiegel
erfuhr das LKA durch Abhörmaßnahmen bei dem
bekannten Potsdamer Neonazi Sven S., dass dieser
von einem V-Mann des Verfassungsschutzes vor der
Razzia gewarnt worden war. Sven S. betreibt einen
rechtsextremen Musikhandel. Wegen des Lecks soll
das Potsdamer Polizeipräsidium dann entschieden
haben, die Razzia vorzuverlegen. Sie erbrachte
jedoch nicht die erhofften Hinweise über die
"Nationale Bewegung". Gegen den V-Mann-Führer, der
seinen Spitzel in der rechten Szene über die
Razzia informiert hatte, läuft bei der
Staatsanwaltschaft Potsdam ein
Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats.
Die PDS-Innenpolitikerin Kerstin Kaiser-Nicht,
Mitglied der PKK, forderte gestern eine
"umfassende Aufklärung der Affäre". Zudem müsse
Innenminister Schönbohm die PKK darüber
informieren, ob der Verfassungsschutz inzwischen
Konsequenzen gezogen habe - aus dem Scheitern des
NPD-Verbotsverfahrens vor dem
Bundesverfassungsgericht sowie aus der
Verurteilung des Brandenburger V-Manns Toni S. im
letzten Sommer. Gestern zumindest lehnte
Innenminister Schönbohm einen Rücktritt von
Verfassungsschutzchef Wegesin noch ab.

www.taz.de
TAZ vom 20.05.2003


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