Wasser statt Demokratie (1)

Muddy Waters, Donnerstag, 17. April 2003, 21:11 (vor 7890 Tagen)

http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14614
/1.html
*Wasser statt Demokratie*
Michaela Simon, 15.04.2003

Nach Bush und Blair bedrohen nun Cholera und Ruhr
den Irak
Das Zweistromland mit Euphrat und Tigris wurde
wegen seines raffinierten
Bewässerungssystems von dem Historiker Arnold
Toynbee in seinem Buch
Menschheit und Mutter Erde [1] als Ursprungsland
der Zivilisation
vermutet.
Heute befürchten Arzte und Hilfsorganisationen,
darunter das internationa-
le Rote Kreuz, WaterPartners International [2],
die US-Agency for Interna-
tional Development [3] und Unicef [4] dass die
dramatische Trinkwasser-
knappheit den Ausbruch einer Epidemie im Irak
verursachen wird. In der
südlichen Stadt Basra hat die Mehrheit der 1,3
Millionen Bewohner drei
Wochen nach Kriegsbeginn immer noch kein sauberes
Wasser. Abgesandte von
Hilfsorganisationen finden nur langsam und
vereinzelt ihren Weg durch das
gefährlich aufgewühlte Land. Cholera und Ruhr sind
schneller. Der Guardian
zitiert einen Iraker: "Bush böse. Blair böse. Sie
haben unser Wasser und
unsere Elektrizität zerstört". In Basra konnte das
von Unicef gelieferte
Wasser nicht verteilt werden, da es auf den
Straßen zugeht wie in einem
Italo-Western. Soldaten in Basra haben eine in
Arabisch gesetzte Zeitung
verteilt, deren Titelbild eine purzelnde
Saddam-Statue zeigt. "Wir brau-
chen keine Zeitung, wir brauchen Wasser, Essen und
Elektrizität" zitiert
Reuters einen aufgebrachten Iraker (vgl. "Militär
leistet keine humanitäre
Hilfe" [5]).
Unsere Autos sind beladen und wir können sofort
los. Wie brauchen nur
etwas Sicherheit, damit wir da überhaupt
reinkommen.
_Ein Mitarbeiter von Mercy Corps_

Die Koalition hätte die wichtigste Infrastruktur
bewahren müssen -
Krankenhäuser, Wasser und Elektrizität. Wir sind
verzweifelt, frustriert
und völlig deprimiert. _Ein Sprecher des
Internationalen Roten Kreuzes_

Schon beim ersten Golfkrieg war das gesamte
irakische Wassersystem durch
die Luftangriffe zerstört worden. Alle Staudämme
waren mehrfach getroffen,
städtische und industrielle Wasserreservoirs
ebenso beschädigt worden, wie
Bewässerungsanlagen für die Landwirtschaft und
Wasserkraftwerke und Was-
serpumpen. Etwa 16 Millionen Iraker, zwei Drittel
der Bevölkerung, lebten
schon vor Ausbruch des zweiten Krieges
ausschließlich von Lebensmittelra-
tionen, die sie mit den nötigen täglichen 2.200
Kalorien versorgten (vgl.
16 Millionen Hungernde [6]). Jedes vierte Kind
unter fünf Jahren ist
unterernährt. Im Süden Iraks herrschen zur Zeit
bis zu 40 Grad. Mindestens
100 000 Kinder sind in Gefahr, ernsthaft krank zu
werden, weil sie ver-
schmutztes Wasser bekommen, das schon letztes Jahr
die meisten Todesfälle
unter den irakischen Kindern verursacht hat. Über
den Grad der Wasserkon-
tamination, bedingt auch durch die moderne
Kriegsführung, kann man bislang
nur Befürchtungen anstellen.

Wasser statt Demokratie (1)

Muddy Waters, Donnerstag, 17. April 2003, 21:16 (vor 7890 Tagen) @ Muddy Waters

Wasser statt Demokratie Teil 2

Die Wasserkämpfe zwischen Irak, Syrien und der
Türkei um Euphrat und
Tigris machen die Situation nicht einfacher. Für
die arabischen Regimes
war Wasser ein Allgemeingut, das man nicht kauft,
sondern untereinander
teilt. Syrien und Irak beriefen sich auf ihr Recht
auf unversehrte natürliche Ressourcen. Die
Türkei argumentiert nach dem Prinzip der absoluten

Gebietshoheit, das ihr als Ursprungsland der
Flüsse gestatte, diese voll
zu nutzen, ohne Rücksicht auf die Folgen für die
Gebiete hinter der
Grenze. So sagt man dort gerne:
Öl kommt aus dem Boden von eurem Land und wir
sagen nicht, dass es uns
gehört. Wasser kommt aus dem Boden von unserem
Land und ihr solltet
nicht sagen, dass es euch gehört.
Fünf Prozent der Weltbevölkerung müssen im
Mittleren Osten mit einem Pro-
zent der weltweiten Süßwasservorräte auskommen
(vgl. Der große Durst [7]).
In einem Gespräch mit der BBC [8] kommt die
Vorsitzende der Nationalen
Wasserforschungseinheit in Ägypten, Mona El Kody,
zu dem Schluss, dass der
mangelnde Zugang zu Wasser unmenschliche
Lebensverhältnisse schaffe und
dies die schlimmste Erfahrung sei, die ein Mensch
machen könne. Sie führe
zu Frustration und zu einer Zunahme
terroristischer Aggression.
Die Liste der Vereinten Nationen mit den Ländern,
welche die größten
Wasserprobleme haben, bestätigt, dass die alten
Konfliktherde vermutlich
auch die neuen sein werden: Am schlimmsten steht
es danach um Kuwait, wo
jedem Menschen jährlich 10 cbm zur Verfügung
stehen, gefolgt vom Gaza-
Streifen (52 cbm), den Vereinten Arabischen
Emiraten (58 cbm), Bahamas (66
cbm), Katar (94 cbm), Malediven (103 cbm), Libyen
(113 cbm) und Saudi-
Arabien (118 cbm) (vgl. Der große Durst [9]).

Links
[1] http://www.utopie1.de/toynbee/menschheit.htm
[2] http://www.water.org/iraq
[3] http://www.usaid.gov/iraq
[4] http://www.unicef.de
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14
532/1.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/13
843/1.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/1443
4/1.html
[8] http://news.bbc.co.uk/2/hi/science/nature/2859
937.stm
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/lis/1443
4/1.html

RSS-Feed dieser Diskussion
powered by my little forum