Diplomatie à la francaise

GegenGerd, Freitag, 06. Juni 2003, 06:38 (vor 7841 Tagen)

Neben der Verteidigung des ´Tempels des Friedens´
UNO ist die französische Außenpolitik auch sonst
total moralfixiert. Wer da egoistische nationale
Interessen zu entdecken glaubt, der kann nur
irren. Nach dem vehementen Engagement für eine
Öffnung Europas für Agrarprodukte aus
Entwicklungsländern (nicht!), beweisen uns unsere
Nachbarn nun, wie ernst sie die Osterweiterung der
EU nehmen... Aber da die Beitrittsstaaten ja laut
Chirac eh keinen Anspruch auf eigene Interessen
oder Ansichten haben, ist das vermutlich schon
ganz ok so...

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,25188
2,00.html

Diplomatie à la francaise

Bernd@GegenGerd, Samstag, 07. Juni 2003, 02:28 (vor 7840 Tagen) @ GegenGerd

GegenGerd schrieb:

Neben der Verteidigung des ´Tempels des Friedens´
UNO ist die französische Außenpolitik auch sonst
total moralfixiert.


...seit 1789, als die Revolution sich anschickte,
ihre Protagonisten so charmant mittels Guillotine
ins Jenseits zu befördern.

Politische Auseinandersetzungen wurden auch später
sehr "praktisch" und "unkonventionell" gelöst.
Ähnlich übrigens wie zu Lenins Zeiten, als die
Tscheka unter Felix Dsershinski die Leute killte,
nämlich diejenigen, denen sie versprach, sie vom
Joch der Bourgeoisie befreien zu wollen, nämlich
die ländliche Bevölkerung, die vorher maßgeblich
dazu beigetragen hatte, das Zarenregime zu
stürzen. Aber Schwamm drüber, hätte Zeus gesagt.

Oder wie im Iran 1979: Eine Diktatur löst die
andere ab. Die Frage, die sich stellt, ist
eigentlich nur noch: Welche war die
Schrecklichere.

Diese Frage kann ich für mich eigentlich nur so
beantworten:

Wenn ein Regime mit dem Versprechen antritt, einen
zweifellos schlimmen Missstand abschaffen zu
wollen, indem es mit noch grauenhafteren Methoden
versucht, seine Ideologie vom "perfekten" Menschen
und der "perfekten" Gesellschaft durchzusetzten
und dabei Abermillionen Menschen in den Tod
schickt, verdient nur größte Abscheu.

Mao mit seiner Kulturrevolution (etwa 30 Mio.
Opfer) ist da mit das erschütterndste Beispiel.

Wer da egoistische nationale

Interessen zu entdecken glaubt, der kann nur
irren. Nach dem vehementen Engagement für eine
Öffnung Europas für Agrarprodukte aus
Entwicklungsländern (nicht!), beweisen uns unsere
Nachbarn nun, wie ernst sie die Osterweiterung der
EU nehmen...


Da muss ich einhaken:

Gleichberechtigung im Welthandel wird es für die
Entwicklungsländer nur dann geben, wenn ihre
verarbeitende Industrie - also die in ihren
Herstellerländern - gleiche Wettbewerbschancen hat
im Vergleich zu den Industriestaaten in der
nördlichen Hemisphäre.

Aber da die Beitrittsstaaten ja laut

Chirac eh keinen Anspruch auf eigene Interessen
oder Ansichten haben, ist das vermutlich schon
ganz ok so...


Hauptsache ist, der feine Herr bezieht sein Wasser
aus vergoldeten Wasserhähnen. Ich gönne es ihm ja.
Aber Anderen sollte er es auch gönnen.

Diplomatie à la francaise

Europa, Samstag, 07. Juni 2003, 21:23 (vor 7839 Tagen) @ Bernd@GegenGerd

Solch eine Fehleinschätzung habe ich hier schon
lange nicht mehr gelesen.

Glaubt denn jemand, daß mit der "alten" Lösung die
kleinen Staaten mehr Einfluß in der EU gewinnen?

Das Rotationsprinzip ist bei 27 Mitgliedern völlig
absurd.
Die kleinen Staaten müssen sehen, wie sie sich in
einer technisch funktionsfähigen EU durchsetzen.
Es gibt einige Mittel (siehe Zustimmung zum
Irakkrieg).

Soll die Bürokratie noch mehr aufgebläht werden?

Wasch´ mir den Pelz, aber mach´ mich nicht naß -
das ist keine Lösung.

Diplomatie à la francaise

GegenGerd@Europa, Sonntag, 08. Juni 2003, 02:09 (vor 7839 Tagen) @ Europa

Glaubt denn jemand, daß mit der "alten" Lösung die
kleinen Staaten mehr Einfluß in der EU gewinnen?
Das Rotationsprinzip ist bei 27 Mitgliedern völlig
absurd.
Die kleinen Staaten müssen sehen, wie sie sich in
einer technisch funktionsfähigen EU durchsetzen.


Es geht mir hier weniger um die Detailfrage, wie
viele Kommissare es künftig geben wird - es werden
sicher mehr als 15 und weniger als 27 sein, und es
wird damit einigermaßen funktionieren. Es geht mir
aber viel mehr um die Art und Weise, wie
Frankreich in letzter Zeit immer wieder
außenpolitisch auftritt. Das hat häufig weitaus
unilateralere Züge als alles, was die USA
veranstalten und es steht fast durchgängig unter
dem Leitstern nationaler Interessen, nur daß es
bei den Franzosen kaum erkannt, geschweige denn,
kritisiert wird.
In diesem Fall sagt man z. B.: Ihr macht dies und
jenes, oder wir lassen notfalls einfach die ganze
Verfassung platzen. Das ist eine Art von
Auftreten, wie es sich allenfalls Großbritannien
in früheren Zeiten erlaubt hätte und dafür jede
Menge Kritik erhalten hätte. Kein anderer Staat
(außer Österreich bzgl. der Benes-Dekrete) hat
sich in letzter Zeit so wenig kompromißbereit
gezeigt. Dabei hat es bisher zum Wesen der
europäischen Integration (übrigens gerade in
dieser Hinsicht fußend auf den Ideen und Plänen
zweier bedeutender Franzosen!) gehört, zunächst
einmal Kröten zu schlucken und ggf. auch
vorübergehend Dysfunktionalitäten in Kauf zu
nehmen, um zunächst einmal eine Erweiterung,
Vertiefung oder beides zu erlangen. Und wenn sich
dann ergibt, daß das System danach wirklich nicht
mehr funktioniert, man den ´Neuen´ aber zumindest
schon einmal in Form eines Kompromisses deutlich
gezeigt hat, daß man Wert auf sie legt und sie
ernst nimmt (Die Beitritts´verhandlungen´ haben
dazu sicher nicht beigetragen), kann man umso
leichter eine erfolgreiche Modifikation erreichen,
weil diese Länder sehen werden, daß es nicht nötig
ist, sich so an ihre Kommissare zu klammern, weil
sie auch so gehört werden.
Im übrigen kommt zu der erwähnten
Kompromißlosigkeit, die ich an Frankreichs
Auftreten störend finde, eine kaum erträgliche
Arroganz und Selbstherrlichkeit, die z. B. Herrn
Chirac dazu führt, darüber zu entscheiden, zu
welchen Fragen sich die Beitrittsstaaten mal
lieber nicht äußern sollen und die Herrn de
Villepin veranlassen, den Verfolg französische
Wirtschafts- und Machtinteressen als Verteidigung
des ´Tempels des Friedens´ UNO zu verkaufen. In
diesem Zusammenhang auch: Willkommen im Kongo!

Diplomatie à la francaise

Europa, Sonntag, 08. Juni 2003, 09:00 (vor 7839 Tagen) @ GegenGerd@Europa

Das ist leider wahr. Wer sagt´s den Franzosen denn
mal?
Aber diplomatisch, und nicht mit deutschem
Holzhammer?
Die Arroganz ist desto größer, je weniger Macht
jemand hat - genau wie im übrigen Leben.

Diplomatie à la francaise

Europas Nachschlag, Sonntag, 08. Juni 2003, 09:17 (vor 7839 Tagen) @ Europa

Hier profilieren sich schon welche gegenüber
Deutschland/EU. Wenn das Zoran Djindjic noch hätte
erleben dürfen!

http://www.german-foreign-policy.com/de/news/artic
le/1055023200.php

Diplomatie à la francaise

GegenGerd@Europa, Sonntag, 08. Juni 2003, 11:41 (vor 7839 Tagen) @ Europa

Ich hätte ja an sich nicht einmal groß etwas
dagegen, daß Frankreich diese Art von Machtpolitik
betreibt. Das ist ja für sich alleine genommen
auch noch nichts so völlig Ungewöhnliches, auch
wenn es in Europa selten geworden ist. Aber
besonders bemerkenswert finde ich es eben in
Verbindung mit dieser sich selbst
beweihräuchernden Rhetorik von Moralität und
Gutmenschentum, die den Franzosen leider von
vielen (auch in diesem Forum) abgenommen zu werden
scheint, die ernsthaft glauben, Frankreich als
Vorreiter einer neuen, uneigennützigen
Außenpolitik sehen zu müssen. Übrigens sind dies
oft Leute, die den Amerikanern exakt vorwerfen,
daß sie eigensinnige nationale Interessen unter
dem Deckmantel der Moralität und des
Gutmenschentums verfolgen. Und das ist eine dieser
Ungereimtheiten, die mir übel aufstoßen.

Diplomatie à la francaise

Europa, Sonntag, 08. Juni 2003, 12:46 (vor 7839 Tagen) @ GegenGerd@Europa

Ich gehe bei allen davon aus, daß sie
Eigeninteressen vertreten. Das ist aber auch nicht
schwer zu erkennen.

Wer einem Dominique de Villepin dessen
Friedensgesäusel abnimmt, hat selbst schuld. Das
gilt auch für unseren Jupp Fischer, diesen
serbischen Friedensengel.

Die USA versuchen nichts anderes. Ich bezweifle
nur, daß die Mittel, die sie dabei anwenden, für
sie erfolgreich sein und bleiben werden. Es wird
zuvielen anderen
ein Eigeninteresse abgesprochen. Die lassen sich
das nur solange gefallen, wie sie müssen.

Etwas mehr "asiatische Herangehensweise" täte
besser, z.B. "Umarmen, bis der Tod durch Ersticken
eintritt".

Das aber ist ganz unwestlich und erst recht
unamerikanisch .....

Diplomatie à la francaise

Duni, Sonntag, 08. Juni 2003, 17:34 (vor 7838 Tagen) @ Europa

franz. Arschkriecher brauchten Ölkontrakte mit
Saddam deshalb die Friedensliebe

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