Ode an die Schadenfreude
Achtung Outing:
Ich bin süchtig nach Schadenfreude, und das ist
auch gut so!
Wohlgemerkt: es ist nicht die Art von
Schadenfreude, die auf dem Rücken des hohen,
moralischen Rosses entsteht, sondern eher der
Jubel des Knastbruders, wenn in der Nachbarzelle
ein Polizist oder Staatsanwalt eingebuchtet wird.
Die Droge Schadenfreude ist leider nur über die
Beschaffungskriminalität des Voyeurismus
erhältlich, aber zu meiner Verteidigung: ich
spechte nicht wie James Stewart in "Das Fenster
zum Hof" in die Wohnungen meiner Nachbarn, sondern
begnüge mich mit Zeitungslektüre und
Fernsehkonsum.
Meine Drogenkarriere begann an dem Tag, an dem
Manfred "Law & Order" Kanther zugeben mußte, daß
er bei der Spendenbeschaffung der hessischen CDU
geschummelt hatte. Ich hab diese legendäre
Pressekonferenz auf Video und immer wenn´s mir
dreckig geht, zieh ich mir diesen Klassiker rein.
Obwohl ich seitdem den immer stärkeren Kick suche,
litt ich nur selten an Entzugserscheinungen:
Immer gab es einen neuen, noch besseren Trip:
Schreinemakers Ärger mit dem Fiskus, die Buh-Rufe
bei Zlatkos Grand Prix-Auftritt, Bohlens
Beinahe-Kastration auf seinem Lokus in Tötensen;
alles ein Fest für meine schwarze Seele.
Sicher, es gab auch Rückschläge:
Als Christoph Daum als "Schneemann" enttarnt
wurde, hatte ich mir eigentlich lieber den
selbstgerechten Ulli
Hoenness als Deppen der Nation gewünscht.
Auch, ich gestehe es offen, fehlt mir gerade in
dieser Affaire noch eine wichtige Katharsis:
Rainer Calmund ("Sach datte krank bis, dann
verzeih isch Dir!") sollte zu der Einsicht
genötigt werden, daß auch sein kalorienreicher
Lebenswandel nicht so ganz konform mit den
üblichen, medizinischen Empfehlungen ist.
Zu meiner Verteidigung darf ich anmerken, daß die
Objekte meiner Schadenfreude ausnahmslos Menschen
sind, die sich in ihren eigenen, zur Schau
gestellten Ansprüchen verheddert haben bzw. ihre
eigene Medizin verabreicht bekommen.
So hat es mir kein Vergnügen bereitet, wenn Bärbel
Schäfer Tag für Tag einfache Gemüter, die nur mal
ins Fernsehen wollten, mit hochnotpeinlichen
Indiskretionen desavouiert hat.
Daß sie nun aber zu Recht oder zu Unrecht eine
ähnliche Behandlung erfährt, ist für mich ein
willkommener Anlaß meine schäbige, kleine
Schadenfreude aus dem edlen Champagner-Glas der
poetische Gerechtigkeit zu genießen.
Keine Droge ohne Selbstbetrug.
Und was Michel Friedman selber angeht:
Auch hier Schadenfreude pur:
Daß ich keinen anderen Ausweg sah, als mich mit
diesem eitlen Tugendbold zu solidarisieren; daß
nehme ich Möllemann noch posthum übel.
Bin ich ein schlechter Mensch?
Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den
ersten Stein oder überweise mir Geld für Nutten
und Koks, damit ich mein Suchtverhalten etwas
stilvoller ausleben kann.