Kriegsgrund-Recycling
Wunder über Wunder - mit einem bißchen gutem
Willen können selbst nicht auffindbare
Kriegsgründe wiederverwertet werden:
Aus der Süddeutschen:
Die US-Sicherheitsberaterin zeigte sich "absolut
sicher", dass die von den USA in Irak vermuteten
Massenvernichtungswaffen schließlich auftauchen
würden. Es sei auch möglich, dass einige dieser
Waffen außer Landes gebracht worden seien.
Die Regierung in Damaskus versichere, dass keine
Waffen über die Grenze nach Syrien gelangt seien.
Sollte sich dieses Versprechen als falsch
herausstellen, entstehe aber eine "äußerst ernste
Situation" und die "internationale Gemeinschaft"
müsse "handeln".
http://sueddeutsche.de/ausland/artikel/995/10985/
"And the weapons of mass destruction? Whatever
happened to them? I´m sure we´ll find some.
They´re being flown in right now in a C-130."
Ron Reagan Jr
Kriegsgrund-Recycling
Ich zitiere mal den UNSCOM-Bericht von 1999 in nur
einigen Auszügen:
http://www.fas.org/news/un/iraq/s/990125/dis-intr.
htm
17. In response to the Commission´s requests for
relevant documents, Iraq has repeatedly claimed
that they no longer exist or cannot be located, a
claim which often has been shown to be false,
either because inspection activities have in fact
located precisely such documents or because Iraq
has reversed its stated position and then produced
relevant documents.
33. Iraq declared that 550 shells filled with
mustard had been "lost" shortly after the Gulf
War. To date, no evidence of the missing munitions
has been found. Iraq claimed that the chemical
warfare agents filled into these weapons would be
degraded a long time ago and, therefore, there
would be no need for their accounting. However, a
dozen mustard-filled shells were recovered at a
former CW storage facility in the period
1997-1998. The chemical sampling of these
munitions, in April 1998, revealed that the
mustard was still of the highest quality.
35. The degree of verification achieved is not
satisfactory. Iraq declared that it had produced a
total of 3.9 tonnes of VX. Iraq provided documents
on production in 1988, but failed to provide
verifiable evidence for its activities in 1990.
Iraq also denies that it weaponized VX. Sampling
by the Commission of special warheads has thrown
significant doubt upon this claim.
37. Since the adoption of Security Council
resolution 687 (1991) in April 1991 and until July
1995, Iraq denied that it had had any proscribed
biological warfare (BW) activities. Based on the
results of its inspection and verification
activities, the Commission assessed and reported
to the Council in its report of April 1995, that
Iraq had not provided an account of its proscribed
biological programme nor accounted for materials
and items that may have been used or acquired for
such a programme. The Commission stated that with
Iraq´s failure to account for the use of these
items and materials for legitimate purposes, the
only conclusion that can be drawn is that there is
a high risk that they had been purchased and used
for a proscribed purpose - acquisition of
biological warfare agent. Iraq was provided with
evidence collected by the Commission. On 1 July
1995, Iraq, for the first time, acknowledged that
it had had an offensive BW programme but still
denied any weaponization. Subsequently, in August
1995, after the departure form Iraq of Lt. Gen.
Hussein Kamel Hassan, Iraq admitted that it had
weaponized BW agents and deployed biological
weapons for combat use.
41. Finally, it needs to be recognised that Iraq
possesses an industrial capability and knowledge
base, through which biological warfare agents
could be produced quickly and in volume, if the
Government of Iraq decided to do so.
Kriegsgrund-Recycling
Und dann zitiere ich die Zeit VOR Beginn der
UNMOVIC-Inspektionen:
Wieder werden sie lügen, täuschen, hinhalten.
Wieder werden Dokumente auf unerklärliche Weise
verschwinden, Materialbilanzen nicht stimmen,
Schüssel zu verdächtigen Anlagen plötzlich
unauffindbar sein. Wieder werden die
UN-Waffeninspektoren mit eingeschüchterten
irakischen Wissenschaftlern über den
Verwendungszweck technischer Anlagen streiten.
[...]
Die Zahl der Skeptiker ist gewaltig, die kleine
Schar der Spezialisten gespalten. Der Schwede Rolf
Ekeus, ehemaliger Chefinspektor, verlangt Regeln,
die Saddam Hussein keinen Spielraum lassen.
Charles Duelfer, der vormalige Stellvertreter,
glaubt, selbst die strengsten Regeln nützten
nichts, Saddam werde im Katz-und-Maus-Spiel immer
siegen. Der Amerikaner David Kay, ein anderer
früherer Inspektor, spricht von "mission
impossible". [...]
Die Bilanz von sieben Jahren Waffeninspektionen
im Irak fällt zwiespältig aus. Zum einen wurde das
irakische Atomwaffenprogramm aufgedeckt und nahezu
völlig zerstört. Vernichtet wurden auch erhebliche
Teile des Chemiewaffenarsenals. UN-Inspektoren
enttarnten die wichtigste irakische
Biowaffenfabrik und ließen sie sprengen. So weit
die Erfolge. Auf der anderen Seite stehen offene
Fragen, Ungereimtheiten und eine lange Geschichte
von Täuschung, Lüge und Betrug. "Die Irakis haben
uns nicht alles offen gelegt", konstatiert die
Inspektorin Gabriele Kraatz-Wadsack: "Sie haben
falsche Dokumente präsentiert, falsche Aussagen,
falsche Personen." [...]
Wohl aus Furcht vor Enthüllungen des Überläufers
machten die Irakis umfassendere Angaben über ihr
Biowaffenprogramm. Allerdings behaupteten sie, sie
hätten ihre Biowaffenbestände bereits im Juli 1991
zerstört. Dafür fehlt bis heute aber jeglicher
Beweis. Drei Jahre lang waren die
Unscom-Inspekteure damit beschäftigt, die
irakischen Bekenntnisse auf Richtigkeit zu
überprüfen. Sie stießen auf Lücken, Widersprüche
und Ungereimtheiten. [...]
Nach irakischen Angaben waren 25
Scud-Raketensprengköpfe mit Biowaffenmaterial
befüllt worden, fünf davon mit dem
Milzbranderreger Anthrax, 16 mit dem Bakteriengift
Botulinumtoxin und vier mit dem krebserregenden
Pilzgift Aflatoxin. Bei der Analyse von Proben aus
Containern, in denen die Sprengköpfe gelagert
waren, fanden die Inspektoren tatsächlich
Rückstände von Anthrax - allerdings in sieben
Containern statt in fünf. Daraufhin änderten die
Irakis einfach ihre Angaben - man habe offenbar
doch 16 Anthrax-Raketenköpfe und bloß fünf mit
Botulinumtoxin produziert statt umgekehrt. [...]
Doch Biowaffeninspekteure finden selten einen
untrüglichen Beweis. Biowaffenlabors lassen sich
leicht säubern und desinfizieren. Ein und dieselbe
Produktionsanlage lässt sich zur Herstellung von
biologischen Pestiziden oder Futtermitteln ebenso
einsetzen wie zur Herstellung von Biowaffen. "Im
Biowaffenbereich kann man alles als zivile
Produktion tarnen", sagt Kraatz-Wadsack. [...]
Um den Dingen wirklich auf den Grund gehen zu
können, benötigen die Inspekteure präzise
Informationen über Planung, Ziele und Geschichte
des jeweiligen Waffenprogramms. Über solche
Hintergründe schwiegen sich die irakischen Stellen
stets aus. Deshalb konnten die
Biowaffeninspekteure nie ganz erhellen, warum die
Irakis Tonnen des Krebserregers Aflatoxin
produzierten und nach eigenen Angaben sogar einige
Raketensprengköpfe damit füllten. [...]
Usw. usf. Spielen alle diese Aspekte vor der fixen
Idee, die USA würden sowieso immer lügen, keine
Rolle mehr? Welche dieser Ungereimtheiten und der
vielen anderen, die ich hier gar nicht alle
aufführen, haben sich denn durch die Arbeit der
Inspektoren, geschweige denn, durch die - von der
UNO ultimativ geforderte aktive Kooperation der
Iraker! - tatsächlich geklärt? Was läßt sie so
sicher sein, daß nicht die Iraker - wieder einmal
- gelogen haben?
Kriegsgrund-Recycling
PS: aus Transparenzgründen der Link:
http://www.zeit.de/2002/40/Politik/print_200240_in
spektoren.html
Kriegsgrund-Recycling
GegenGerd, 2 schrieb:
Usw. usf. Spielen alle diese Aspekte vor der fixen
Idee, die USA würden sowieso immer lügen, keine
Rolle mehr? Welche dieser Ungereimtheiten und der
vielen anderen, die ich hier gar nicht alle
aufführen, haben sich denn durch die Arbeit der
Inspektoren, geschweige denn, durch die - von der
UNO ultimativ geforderte aktive Kooperation der
Iraker! - tatsächlich geklärt? Was läßt sie so
sicher sein, daß nicht die Iraker - wieder einmal
- gelogen haben?
Weder bin ich der Meinung, die USA würden sowieso
immer lügen, noch halte ich die Vertreter des
Saddam-Hussein-Regimes für besonders
vertrauenswürdige oder kooperationsbereite
Gesprächspartner.
Natürlich ist es durchaus möglich, dass irgendwo
im Irak noch Fässer mit Senfgas herumliegen. (Ob
diese Fässer, sofern vorhanden, eine Bedrohung
darstellten, ist allerdings eine andere Frage.
Tatsache ist jedenfalls, dass sie in diesem Krieg
nicht zum Einsatz kamen.)
Aber: Diese Waffen sind der offizielle
Kriegsgrund! Und dennoch haben die USA ganz
offensichtlich keine Ahnung, wo sie zu finden sein
sollen!
Dabei gab es monatelange Beweisführungen, böse
Vorwürfe an die Blix-Inspektoren usw.
Beweist das denn nicht, dass die ganze Show vor
dem UN-Sicherheitsrat ein einziges Kasperletheater
war?
Und in dieser Situation traut sich Condoleezza
Rice, anzudeuten, wenn die Waffen nicht zu finden
seien, dann müssten sie eben über die Grenze nach
Syrien geschmuggelt worden sein, und in diesem
Fall müsse die internationale Gemeinschaft - mal
wieder - "handeln". Ich finde das beunruhigend.
Sie nicht?
Gruß, Evi Dentz
(Tut mir übrigens leid, dass ich neulich nicht
mehr geantwortet habe. Erst bin ich nicht
dazugekommen, und dann habe ich angenommen, sie
würden dieses Forum nicht mehr besuchen.
Kriegsgrund-Recycling
Sehr interessanter Artikel dazu:
Wie gefährlich ist das Regime von Saddam Husein?
Und wen bedroht es?
von Volker Perthes
http://www.swp-berlin.org/produkte/bparchiv/nahost
5.htm
Auszug:
So vermuteten die Inspekteure zwar, daß der Irak
noch ungefähr sieben selbstgebaute Scud-Raketen
versteckt halte - Mittelstreckenraketen, die Ziele
in Iran, den Golfmonarchien, Jordanien, Israel,
Syrien oder der Türkei erreichen könnten. Sie
hatte aber den Verbleib von 817 der insgesamt 819
vom Irak importierten Scud-Raketen klären können,
konnte also verifizieren, daß, die Raketen, die in
den beiden Golfkriegen nicht verschossen worden
waren, tatsächlich vernichtet worden war.
Amerikanische Beobachter sprechen heute von bis zu
25 Scud-Raketen und einigen Raketenwerfern, die
der Irak noch haben könne, aber auch das ist wenig
im Vergleich zu früheren Rüstungspotentialen.
Zahlreiche Produktionsanlagen für Raketen und
Raketenwerfer wurden unter Aufsicht der Kommission
zerstört; das gleiche gilt für die großen Fabriken
für biologische und chemische Kampfstoffe. In
mehreren hundert Produktions- und
Forschungsstätten, die zur Herstellung und
Erprobung von Raketen oder von atomaren,
biologischen oder chemischen Waffen genutzt werden
könnten, wurden Überwachungssysteme installiert.
Die Kommission zerstörte oder akzeptierte
irakische Dokumente über die Zerstörung von nahezu
100.000 Stück chemischer Artilleriemunition, von
über 400 Tonnen einsatzbereiten chemischen
Kampfstoffe und von einigen Tausend Tonnen von
Vorprodukten zur Herstellung solcher Kampfstoffe,
die der Irak 1991, am Ende des Kuwaitkriegs, noch
besaß. Die Kommission vermutete allerdings, daß
der Irak noch ernstzunehmende Restmengen
chemischer und biologischer Waffen versteckt
hielt. Zumindest bestanden starke Zweifel an der
ordnungsgemäßen Vernichtung von, unter anderem,
eineinhalb Tonnen VX-Gas, etwa 550 mit Senfgas
gefüllten Artilleriegeschossen, bis zu 500
Fliegerbomben und mehrerer Raketensprengköpfe mit
chemischen oder biologischen Kampfstoffen. Die
Kommission erhielt auch bis zum Abbruch ihrer
Tätigkeit keine sie überzeugenden Antworten auf
Fragen nach dem Verbleib von Nährlösungen zur
Herstellung bakteriologischer Kampfstoffe.
Es steht außer Frage, daß der Irak immer wieder
versucht hat, die Inspekteure zu täuschen,
Bestände zu verheimlichen und Dokumente über
frühere Rüstungsvorhaben zu verstecken. Kein
Regime, das unter internationalen Sanktionen
steht, würde nicht versuchen, zu betrügen und
Auflagen zu umgehen. Daß die UN-Kommission
gleichzeitig von den USA zu Spionagezwecken
mißbraucht wurde, diente dem Irak später als
zusätzliches Argument, um sich einer
Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit oder der ihrer
Nachfolgerinstitution im Irak zu widersetzen.
Gerade weil seit Ende 1998 keine Inspekteure mehr
im Land sind, besteht im einzelnen keine absolute
Klarheit darüber, welches Rüstungspotentiale der
Irak heute noch hat. Man kann vermuten, daß der
Irak versucht hat, einen Teil seiner eigenen
Forschung und wahrscheinlich auch der Produktion
in Bereichen wiederaufzunehmen, die ihm unter den
Waffenstillstandsbedingungen verboten sind,
insbesondere von C-Waffen und von Raketen
mittlerer Reichweite. Die von der UNSCOM
eingerichteten Überwachungsanlagen in
entsprechenden Fabriken oder Labors sind nach dem
Abzug der Inspekteure jedenfalls abgebaut worden.
Die irakische Regierung hat sich immer wieder
bemüht, das Rüstungsembargo zu durchbrechen und
etwa Leitsysteme für die Flugabwehr, aber auch
Teile für die Produktion von Raketen und
chemischer Munition auf dem internationalen grauen
Markt zu erwerben. Andere Waffen - gepanzerte
Fahrzeuge, Artilleriegeschütze, Flugabwehrraketen
und Boden-Boden-Raketen - werden in
Eigenproduktion hergestellt; dies ist auch in
keiner Weise verboten. Die Wirtschaft ist in hohem
Maße militarisiert. So hat die privilegierte
finanzielle Ausstattung des Ministeriums für
Militärproduktion es diesem erlaubt, Techniker und
Ingenieure in ihren Jobs zu halten, die
andernfalls wie Zehntausende irakischer Fachkräfte
das Land wohl verlassen hätten.