Freie Menschen in der Falle
(Dieser Beitrag erschien in der israelischen
Tageszeitung MAARIV am 18.4.2003 in der
Wochenendbeilage) - Michael Salkman (Los Angeles
Times)
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Einsamer Pessachabend in Bagdad: Die Juden
schlossen sich aus Angst zu Hause ein.
"Baruch ata Hashem" (Gelobt seist du Ewiger) sagt
Kalida Salah. Das ist der einzige Satz, den sie
aus der jüdischen Tradition in Erinnerung behalten
hat.Kalida ist eine von 40 Juden, die in Bagdad
geblieben sind. Den Sederabend, an dem Juden des
Auszuges aus Ägypten gedenken, verbrachte sie mit
ihrer Schwester Nidal in Angst.
"Baruch ata Hashem" für Kalida ist es die
Grundlage des Glaubens. Eine Verbindung, die fast
abgerissen ist. Die zwei Schwestern sind
Überlebende. Sie haben einen Staat überlebt, der
sie ausweisen wollte. Ein Staat, der ihnen verbot
einen Davidstern öffentlich zu tragen, ein Staat
der die uralte Thora in der Synagoge von Bagdad
konfiszierte.
Jetzt ist die ganze Stadt von Banden der Räuber
und Plünderer voll und die Juden schliessen sich
in ihrem Heim ein. Saddam war ein grausamer
Diktator, von ihm wussten sie wenigstens genau,
was sie zuerwarten hatten.
NICHTS IST SICHER
Heute ist nichts sicher. Die Juden, zumeist
betagte Menschen, können nicht am Sederabend in
der Synagoge zusammenkommen um die Feiertagsgebete
zu zelebrieren aus Angst, das Bethaus würde
geplündert, sobald seine Tore öffneten. Es ist
jedoch nicht der einzige Grund. Zwar erzählen die
beiden Schwestern über sehr gute Koexistenz mit
ihren islamischen Nachbarn, aber ihre Angst gibt
andere Hinweise. Taufik Sofer , 80 Jahre alt,
nennt Pessach EID AL FITER (islamischer Feiertag,
der das Ende des Ramadan kennzeichnet) und nicht
in seinem eigentlichen Namen "Eid al Fisa" Kalida
und Nidal betonten wiederholt, kein hebräisches
Buch im Haushalt zu haben.
Nachdem der irakische Übersetzer den Raum
verliess, zeigten die Schwestern eine
Sammlunggelber Haggadot in Hebräisch.
»WIR WURDEN MOSLEMS«
Kalida und Nidal sind sehr enttäuscht, dass die
wenige Schritte von ihrer Wohnung entfernte
Synagoge nicht zum Feiertag geöffnet wird. Leider
wird nicht nur die Schliessung der Synagoge der
einzige Grund sein.
Als die beiden Kinder waren, erzählten sie mir,
gingen sie mit ihrer Mutter zu Verwandeten um zu
feiern. Heute ist niemand mehr übriggeblieben.
Alle starben oder verliessen den Irak. Die
Schwestern haben nie geheiratet. Sie haben nicht
genug Geld um Lebensmittel einzukaufen für ein
"befriedigendes Festmahl" Unter der Regentschaft
Saddams hatten sie Anrecht auf etwa 20 US-Dollar
monatlich vom Religionsministerium.
Mit dieser Summe konnten sie sich Esssen zu den
Festen kaufen. Nach dem Fall des Regimes gibt es
kein Geld mehr und keine Möglichkeit, den Feiertag
würdig zu begehen.
In ihrer Kindheit hielten beide den Shabbat. "Wir
leben heute in einer islamischen Gesellschaft.
So wurden wir Moslems, weil wir keine andere Wahl
hatten" so Kalida.
EINE EINFACHE MEZUZA AUS HOLZ
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde im Irak
reicht 2500 Jahre zurück.,auf die Besetzung des
Königreiches Judäa durch Nebukadnezer. Seit dieser
Zeit, etwa 2000 Jahre lang blühte die jüdische
Gemeinde im Irak., ihre Kultur integrierte sich
vortrefflich in die Sprache und der lokalen
islamischen Kultur. Nach dem zweiten Weltkrieg
lebten noch mehr als 100.000 Juden im Irak.
Mit dem nationalen Erwachen in der arabischen Welt
in den 40er und 50er Jahren des vorigen
Jahrhunderts wurden die Juden unerwünscht. In den
50er-Jahren war die irakische Monarchie so sehr
von der Idee angetan, die Juden loszuwerden, dass
ihnen sogar die Erlaubnis gegeben wurde, ihren
gesamten Besitz zu behalten, wenn sie nur die
Staatsbürgerschaft aufgeben und das Land verlassen
würden.
Viele folgten dem Ruf und wanderten nach Israel
und in westliche Staaten aus.
Das einzige was heute in Bagdad von der Gemeinde
übrig blieb ist eine Synagoge mit gelben Ziegeln
inmitten des BATAWAIN Bezirkes von Bagdad. Das
Gebäude wird durch eine drei Meter hohe Betonwand
verhüllt und ist mit Eisentoren verschlossen. Der
einzige Hinweis auf die Bestimmung des Gebäudes
ist eine kleine Inschrift mit den Namen des des
Platzes und eine einfache Mezuza aus Holz auf der
Eingangstür. In der Synagoge gibt es keinen
Rabbiner, der letzte ging vor 30 Jahren weg.So wie
der Rabbiner wirkt die ganze Gemeinde so, als ob
sie auf dem Wege ist zu verschwinden.
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