Diplomatie à la francaise

GegenGerd@Europa, Sonntag, 08. Juni 2003, 02:09 (vor 7839 Tagen) @ Europa

Glaubt denn jemand, daß mit der "alten" Lösung die
kleinen Staaten mehr Einfluß in der EU gewinnen?
Das Rotationsprinzip ist bei 27 Mitgliedern völlig
absurd.
Die kleinen Staaten müssen sehen, wie sie sich in
einer technisch funktionsfähigen EU durchsetzen.


Es geht mir hier weniger um die Detailfrage, wie
viele Kommissare es künftig geben wird - es werden
sicher mehr als 15 und weniger als 27 sein, und es
wird damit einigermaßen funktionieren. Es geht mir
aber viel mehr um die Art und Weise, wie
Frankreich in letzter Zeit immer wieder
außenpolitisch auftritt. Das hat häufig weitaus
unilateralere Züge als alles, was die USA
veranstalten und es steht fast durchgängig unter
dem Leitstern nationaler Interessen, nur daß es
bei den Franzosen kaum erkannt, geschweige denn,
kritisiert wird.
In diesem Fall sagt man z. B.: Ihr macht dies und
jenes, oder wir lassen notfalls einfach die ganze
Verfassung platzen. Das ist eine Art von
Auftreten, wie es sich allenfalls Großbritannien
in früheren Zeiten erlaubt hätte und dafür jede
Menge Kritik erhalten hätte. Kein anderer Staat
(außer Österreich bzgl. der Benes-Dekrete) hat
sich in letzter Zeit so wenig kompromißbereit
gezeigt. Dabei hat es bisher zum Wesen der
europäischen Integration (übrigens gerade in
dieser Hinsicht fußend auf den Ideen und Plänen
zweier bedeutender Franzosen!) gehört, zunächst
einmal Kröten zu schlucken und ggf. auch
vorübergehend Dysfunktionalitäten in Kauf zu
nehmen, um zunächst einmal eine Erweiterung,
Vertiefung oder beides zu erlangen. Und wenn sich
dann ergibt, daß das System danach wirklich nicht
mehr funktioniert, man den ´Neuen´ aber zumindest
schon einmal in Form eines Kompromisses deutlich
gezeigt hat, daß man Wert auf sie legt und sie
ernst nimmt (Die Beitritts´verhandlungen´ haben
dazu sicher nicht beigetragen), kann man umso
leichter eine erfolgreiche Modifikation erreichen,
weil diese Länder sehen werden, daß es nicht nötig
ist, sich so an ihre Kommissare zu klammern, weil
sie auch so gehört werden.
Im übrigen kommt zu der erwähnten
Kompromißlosigkeit, die ich an Frankreichs
Auftreten störend finde, eine kaum erträgliche
Arroganz und Selbstherrlichkeit, die z. B. Herrn
Chirac dazu führt, darüber zu entscheiden, zu
welchen Fragen sich die Beitrittsstaaten mal
lieber nicht äußern sollen und die Herrn de
Villepin veranlassen, den Verfolg französische
Wirtschafts- und Machtinteressen als Verteidigung
des ´Tempels des Friedens´ UNO zu verkaufen. In
diesem Zusammenhang auch: Willkommen im Kongo!


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