Das Ende der grünen Hegemonie?

NN, Sonntag, 03. März 2024, 15:11 (vor 263 Tagen) @ NN

Sieht man davon ab, dass es weiterhin schleierhaft ist, wie Rödder Lyotard bzw. die philosophische Postmoderne mit den Grünen in Verhältnis setzt, ist der folgende Abschnitt präzise, zumal er die zeitliche Abfolge und Verschiebung der Themen berücksichtigt:

Postmodernes Denken nahm stattdessen die Defizite und Schattenseiten der westlichen Industriegesellschaften in den Blick. Die grünen Bewegungen verfolgten emanzipatorische Ansätze, wenn sie für Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Frieden und globale Gerechtigkeit, Frauenrechte und ein Ende der Diskriminierung sexueller Minderheiten eintraten. Dabei zeichneten sich neben der Friedensbewegung drei weitere Foren ab. Die Ökologiebewegung etablierte das Themenfeld Klima und Energie, wobei der Schwerpunkt zu Beginn auf der Antiatomkraftbewegung lag und der Klimaschutz erst später in den Fokus rückte. Das Themenfeld Gender und Sexualität wurde zunächst von der neuen Frauenbewegung bezogen. Sie nahm die Geschlechterrollen der bürgerlichen Gesellschaft ins Visier, die Frauen den Bereich des Hauses und der Familie, Männern hingegen die Sphäre der Erwerbstätigkeit und der Öffentlichkeit zugewiesen hatte. Da es diese Sphäre war, in der sozialer Status erworben wurde, zielte die neue Frauenbewegung vor allem auf mehr Erwerbstätigkeit und die Lösung von Frauen aus Familienrollen. Hinzu kam die Emanzipation von Marginalisierten der bürgerlichen Moralordnung: von Homosexuellen, später von Transsexuellen und allgemein von “Queers”. Das dritte Themenfeld von Migration und Integration ging auf den Postkolonialismus zurück. Er setzte der Vorstellung einer westlichen Zivilisation, die der Welt Demokratie und Menschenrechte, Fortschritt und Wohlstand gebracht habe, die koloniale Erfahrung vieler Weltregionen entgegen, die den Westen vor allem in Form von Fremdherrschaft und Ausbeutung erlebt hatten.

Wobei er das Ganze am Ende wieder etwas mit dem Arsch einreißt, weil das Themenfeld Migration und Integration anfänglich mitnichten auf den Postkolonialismus zurückgeht. Dieser führte in linksakademischen Kreisen, jedenfalls in Deutschland, bis Ende der Nuller(!) eher ein Nischendasein und wurde danach erst auf breiterer Front hip. (Aber das gilt übrigens nicht unbedingt unter jüngeren Grünen, sondern mehr noch bei Leuten, die noch weiter links von den Grünen anzusiedeln sind, wie man momentan ganz gut erkennen kann).

Und daneben irritiert es, dass Rödder, als konservativer Kritiker, im gegebenen Zusammenhang nicht erwähnt, dass der Begriff der Integration für die Grünen lange Zeit keine oder keine große Rolle spielte, weil man bis Ende der 90er größtenteils klassisch multikulti unterwegs war und sich die Frage nach der Integration, also teils auch von Anpassungsleistungen, die Migranten erbringen sollten, entsprechend wenig stellte.


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