"Allmacht Amerika"

GegenGerd, Donnerstag, 28. August 2003, 12:03 (vor 7762 Tagen) @ R.A.

Es war aber natürlich z. B. schon bezeichnend, daß
als ´objektiver´ Wissenschaftler, dessen Analysen
als nackte Fakten kommentiert wurden, nun gerade
Joseph Nye zu Wort kam, während Bill Kristol
andererseits als ´Vordenker der Rechten´
bezeichnet wurde, was natürlich in Deutschland
schon zu Bedenken führt, weil wir unter ´rechts´
nun einmal etwas anderes, problematisches
verstehen (müssen). Ich habe auch den Hinweis
darauf vermißt, daß die viel gescholtenen
Neokonservativen für uns alte Bekannte sein
müßten, und ein Großteil des heutigen
Regierungspersonals entscheidend mitgewirkt hat
bei der friedlichen Bewältigung des
Ost-West-Konfliktes und schließlich bei der
deutschen Einheit. All das wird gern ausgelassen.
Ferner waren die interviewten Bush-Befürworter
natürlich fast nur Texaner, die obendrein laut
eigener Aussage nur wenig von Außenpolitik
verstünden. Und Bush würde ihre Unterstützung nur
verlieren, wenn sie sich nicht AUCH noch von ihm
belogen fühlen würden (Zitat). Da schwingt dann
wieder ein wenig des Klischee vom dummen Ami aus
der Provinz mit, der keine Ahnung hat und ohne den
Bush gegenüber dem ´anderen´, besseren Amerika
(Hillary läßt grüßen!) keine Chance haben würde.
Auch die Kontinuitäten amerikanischer Außenpolitik
wurden nicht erwähnt, so z. B. die Wilsonsche
Tradition der Verbreitung der Demokratie, die
nicht nur das Thema Bushs, sondern ziemlich aller
Präsidenten seit 1945 ist, Nixon einmal
ausgenommen. Das alles wird zwar vielleicht von
Bush aggressiver vertreten als früher, ist aber
doch keineswegs neu, ebensowenig wie der Vorbehalt
eines Präventiv- oder Präemptivkrieges, der
hierzulande so empört aufgenommen wurde, während
Maddie Albright gerade erst in einem Interview mit
Foreign Affairs darauf hinweist, daß sich auch
frühere Regierungen, inklusive der Clintonschen,
diese Option selbstverständlich stets
offengehalten haben und das überhaupt nichts Neues
ist.
Dann fehlte fast jeder Hinweis darauf, daß
US-Außenpolitik auch noch ein wenig mehr ist als
nur Militärpolitik.
Die Angabe, daß die USA fast so viel für das
Militär ausgeben wie die restliche Welt, stimmt im
übrigen auch nur dann, wenn man die Nettobeträge
sieht. Da es aber realistischer ist, diese Beträge
gemäß der jeweiligen Kaufkraftparität umzurechnen,
kommt z. B. das SIPRI ´nur´ noch auf ca. 1/3.
Und es ist ebenso nicht zutreffend, daß Amerika
künftig NUR auf flexible Allianzen setzen würde.
Im Gegenteil wird man, gerade wenn man Artikel der
gefürchteten Neokonservativen liest, feststellen,
daß durch die Bank die NATO, sowie die Bündnisse
mit Japan und Südkorea (sah man ja auch im Film)
als essentiell gelten und z. B. mit Indien eine
ähnliche Bezeihung gewünscht ist.

Fazit: Ich bin auch der Meinung, daß es für eine
Reportage in den deutschen Medien ein relativ
ausgewogener / fairer Bericht war (das halte ich
Claus Kleber sowieso zugute), aber es gab schon
einiges daran auszusetzen.


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