NEVER EVER FORGET

NN, Mittwoch, 24. März 2021, 22:11 (vor 1339 Tagen) @ Serious Black

Angesichts der Ereignisse vom 06. Jänner, wage ich zu bezweifeln, dass der Richter das Tucker-Carlson-Manöver durchgehen lässt. Aber wir dürfen gespannt sein.

Der Genauigkeit halber: Es handelt sich nicht um ein Manöver Carlsons, sondern um das Manöver eines Juristen von FOX, der Carlson mit dem Hinweis, dass diesen kein vernünftiger Mensch ernst nehmen könne, erfolgreich gegen eine Verleumdungsklage immunisiert hat. Dass die betreffende Richterin im gegebenen Fall der Argumentation des Anwalts gefolgt ist, ist zunächst deshalb problematisch, weil sie in Konsequenz ein Freibrief für jede Person mit nur genügend ruiniertem Ruf bedeutete. Hinzu kommt, dass ein Richter nicht einfach durchgehend vernünftige Menschen voraussetzen sollte, die dieses oder jenes nicht ernst nehmen oder auf dieses oder jenes nicht reagieren. (Was zumal bei Aufrufen zur Gewalt problematisch wäre, weil es meistens unvernünftige Menschen sind, die Gewaltaufrufen Folge leisten.) Insoweit kann es als eher unwahrscheinlich gelten, dass ein anderer Richter derselben Argumentation folgt.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit (klare, gezielte Verleumdung, konkrete Gewaltaufrufe) sind nun im US-Recht weit gesteckt, aber das, was Powell wiederholt getan hat, nämlich einem Unternehmen wider besseren Wissens(!) sehr konkret schwere Straftaten zu unterstellen, geht allemal so weit, dass sie den Rechtsstreit als Beklagte sehr ernst nehmen muss. Eine der Hürden für eine Verurteilung in so einem Verfahren ist sinngemäß der Punkt wider besseren Wissens. Dass hat sie nämlich mit dem merkwürdigen Argument eingeräumt. Jemand, der glaubhaft vermitteln kann, dass er aufrichtig irgendeinen Vollstuss glaubt bzw. verbreitet, steht im Unterschied dazu deutlich besser da, weil man ihm entsprechend nicht (oder zumindest schwerer) nachsagen kann, Dinge wider besseren Wissens behauptet zu haben.

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird so zuweilen der Unterschied zwischen einem Lügner und einem Bullshitter definiert: Der Lügner spricht (gezielt) wissentlich die Unwahrheit, der Bullshitter behauptet einfach mal, ohne sich groß darum kümmern, ob das, was er da behauptet, eine Grundlage hat.

Ob und wenn ja, inwieweit das klagende Unternehmen belegen muss, konkret durch die Verleumdungen geschädigt worden zu sein, kann ich nicht sagen. Für den Fall, dass Powell mit einem blauen Auge davonkommen sollte, könnte hier der Grund liegen.

Potentiell dazu geeignet sind sie dafür allemal: Selbst dann wenn kein Kunde einen Vertrag kündigt (oder nicht abschließt), weil er tatsächlich glaubt, dass die Wahlmaschinen Stimmen fälschen oder fehlerhaft zählen, wäre es alles andere als an den Haaren herbeigezogen, wenn man sagt, dass (potenzielle oder vorhandene) Kunden Verträge nicht abschließen oder verlängern, weil sie, als Veranstalter von Wahlen aufgrund des durch Powell und Co. geschädigten Rufes der Wahlmaschinen haufenweise Irre an der Hacke hätten.

Nachher kommt Powells Anwalt noch mit der Spitzfindigkeit um die Ecke, dass ja auch noch ein weiterer Hersteller von Wahlmaschinen gegen aller (potentiell) geschäftsschädigende Verleumdungen klagt und dem Kläger somit kein (oder nur ein relativer) Wettbewerbsnachteil entstanden sei.

Aber wie dem auch sei: Ich vermute b.a.w., dass der ebenfalls beklagte Mike Lindell vor Gericht bessere Karten hat, als Sidney Powell, weil er den Eindruck vermittelt, echt irre zu sein und den Vollstuss, den er beharrlich verbreitet, auch wirklich glauben könnte.


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