Wenn ich der Rumsfeld wäre..

zeus @ GG(I), Dienstag, 13. Mai 2003, 16:36 (vor 7864 Tagen) @ GegenGerd@zeus

Lieber GG,

here we go again ;-) Vielleicht was prinzipielles
vorweg: Es geht mir nicht um die Frage, ob man die
Zahl der Kriegsopfer von WWII von 56Mio vielleicht
auf 45 oder 30Mio hätte reduzieren können, sondern
ob und falls ja, wie man WWII hätte verhindern
können; im Grunde kann es nur darum gehen.

Nun zu Ihren Argumenten: Daß D im Jahre 38 noch
nicht so gerüstet war, wie im Herbst 39 ist ein
Argument; allerdings waren auch bei Kriegsausbruch
alle kriegsführenden Parteien nicht "genügend"
gerüstet; insbesondere die SU und Amerikaner
hatten immensen Nachholbedarf, den sie *während*
des Krieges jedoch - zwar teilweise unter
Ruinierung der Volkswirtschaft - wieder
wettmachten. Wichtig in diesem Zusammenhange
scheint vor allem, daß die wichtigsten
kriegsführenden Staaten den Kriegszeitraum nutzen
konnten, um ihr Waffenarsenal aufzustocken und
weiterzuentwickeln. Aus diesem Grunde ist das
militärische Ausgangspotenzial zwar nicht
unerheblich, aber für den tatsächlichen
Kriegsverlauf war es von genausogroßer Bedeutung,
welches Rüstungspotential die Industrie der
jeweiligen Staaten bot, was ihr Argument recht
einschneidend relativiert. Schliesslich bietet das
Argument keine konstruktive Antwort auf die Frage,
ob u. wie der Krieg hätte vermieden werden können.

Zweitens der Ostvorstoss: Klingt plausibel, was
Sie vorbringen. Trotzdem sollte man sich vor Augen
führen, warum das DR zunächst in diese Richtung
vordrang: Weil es eine militärisch
unproblematische Eroberung war, die gleichzeitig
einen großen Aufmarsch- und Resourcenraum
erschloß. Es spricht also einiges dafür, daß
Hitler auch im Falle eines alliierten
Präventivschlages ein Teil der Armee nach Osten
geführt hätte, um eine tiefer gestaffelte
Verteidigung zu organisieren. Das ist sehr
spekulativ und die Gefahr eines Zweifrontenkrieges
scheint dem zu widersprechen; Hitler aber scheute
nichteinmal den Zweifrontenkrieg gegen Rußland,
der wirklich einem militärischen Selbstmord
gleichkam. Zusammenfassend ist ihr Argument nicht
schlecht, wenngleich nicht zwingend und vor allem:
Wieder zeigt es keinen Weg zur Verhinderung des
Krieges auf.

Drittens und ebenfalls sehr wichtig, was Sie
geflissentlich ausließen war die Bündnispolitik
Deutschlands, hauptsächlich mit Spanien, Italien
und Japan. Auch dies hätte einen Präventivschlag
wahrscheinlich zu einer globalen Malaise geraten
lassen.

Vielleicht können Sie nun trotzdem anerkennen, daß
ein Präventivschlag im Jahre 38 aller
Wahrscheinlichkeit nach viele Millionen Tote
gefordert hätte; darüber, ob es 10 oder 15
Millionen weniger (oder mehr?) gewesen wären, läßt
sich trefflich radotieren, aber in Zusammenhang
mit meiner eingänglichen Bemerkung geht es mir
nicht um eine spekulative Zahlenklauberei in
diesen Größenordnungen. Deswegen ist die
Selbstsicherheit, mit der das Argument "hätte man
D präventiv,... dann ären wir alle noch am Leben."
hervor gebracht wird, allemal absurd.

Um den Krieg wirklich zu begreifen - und mithin
auch die Möglichkeiten seiner Verhinderung - muß
man genau nachfragen, *wer* alles diesen Krieg
wollte und wem er nutzte.


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum