Wenn ich der Rumsfeld wäre..

Zeus @ GG, Freitag, 16. Mai 2003, 21:13 (vor 7861 Tagen) @ GegenGerd@Zeus, III

Lieber GG,

sie werden´s vielleicht nicht glauben, aber ich
weiche Ihrer Argumentation auf breiter Linie.
Wahrscheinlich haben Sie tatsächlich recht, daß
eine Abschreckungsstrategie gegen die kriegsgeile
Meute um A.H. nichts gefruchtet hätte; jene
Rechthaberei, die Sie mir beständig
zuattributieren wollen, zeige ich nur, wenn ich
tatsächlich auch Recht *habe* ;-)

Im Wesentlichen ging es mir jedoch darum:

Vielleicht können Sie nun trotzdem anerkennen, daß
ein Präventivschlag im Jahre 38 aller
Wahrscheinlichkeit nach viele Millionen Tote
gefordert hätte;

Das habe ich nie bezweifelt.


Sicher ist es wünschenswert, die Zahl der Opfer zu
minimieren; darin können wir gern übereinkommen.
Ihre Argumentation plausibilisiert auch, daß es so
hätte kommen können. (Nebenbei liegt hier die
Antwort auf Ihre von mir beileibe nicht intendiert
Verwirrung darüber, was ein Argument sei, das
nicht schlecht aber gleichfalls nicht zwingend
sei: Solche Argumente plausibilisieren, ohne zu
beweisen; denn *beweisen*, daß es tatsächlich zum
jeweiligen Szenario gekommen wäre, können in
diesem hypotetischen Falle weder Sie noch ich,
trotzdem liefern Sie sehr plausible Argumente.)
Meine Argumentation sollte lediglich aufzeigen,
daß es in jedem Fall ein erhebliches Risiko
gewesen wäre (nicht ganz unwahrscheinlich auch,
daß Hitler ja tatächlich Unterstützung von Stalin
erbitten hätte können. - wenngleich der offizielle
»Pakt« erst im August 39 zustande gekommen war)
und aller Wahrscheinlichkeit nach trotzdem
Millionen von Toten zur Folge gehabt hätte. Darin
stimmen Sie mir auch zu.

Daraus folgt für mich zum Einen, daß trotzdem sehr
wohl ein Rechtfertigungsproblem bestanden hätte;
selbst bei einem Präemptivschlag und aller
Erlaubnis durch das Völkerrecht besteht ein
Rechtfertigungszwang, wenn man Millionen Toter
verursacht. Er besteht ja sogar schon, wenn man
nur einige wenige »rechtmäßig« zu Tode expediert:
In jedem Staat mit Todesstrafe gibt es eine
Bewegung dagegen und der Staat - obgleich im Recht
- muß sich für die Toten sowohl vor Jenen, als
auch manchmal vor der Weltöffentlichkeit
rechtfertigen. Wie ich bereits schrieb, gilt genau
das Gleiche wie für Hiroshima und Nagasaki -
rechtmäßige Kriegsziele, von einem angegriffenen
Land ausgehend bombardiert, und trotzdem bis heute
nicht wirklich rechtfertigbar. Selbst die
Amerikaner haben zum 50sten Jahrestag der
Atombombenabwürfe - ich war zufällig gerade in
Boston - eigentlich mehr Selbstkritisches als
Apologetisches verlautbart, wenngleich die Stimmen
natürlich gemischt waren.

Doch zurück zum WWII und einem möglichen
Präemptivschlag (denn ein solcher wäre es - sagen
wir ab Oktober 38 - tatsächlich gewesen, da haben
Sie abermals recht): Der Krieg hätte also nicht in
einem Maße erstickt werden können, der
berechtigte, die Sache als vergleichsweise
harmlose Alternative darzustellen; genau darum
ging es mir.

Damit ist die Sache jedoch noch nicht ganz
ausdiskutiert, denn die Frage, die weiter im Raume
steht, lautet: Hätte WWII verhindert werden
können, und wenn ja, wie?

Ein Präemptivschlag hätte WWII nach unser beider
Einschätzung nicht verhindert, wobei Ihre
Argumentation gut begründet, daß er jedoch
zumindest die Zahl der Opfer verringert hätte.
Trotzdem kann es nicht darum gehen, Kriege zu
akzeptieren, die »nur« noch 20 oder 30 Millionen
Tote fordern; Ziel einer weitergehenden Diskussion
muß es sein, solche Kriege gänzlich zu vermeiden
oder zumindest extrem einzudämmen.

Nehmen wir das drohende aktuelle Beispiel
Pakistan-Indien: In dem Konflikt bin ich leider
nicht sonderlich bewandert, aber die Gefahr einer
Katastrophe ist evident. Was wollen Sie tun?
Präventiv zuschlagen? Wohl kaum; die Situation
ähnelt der WWII-Situation dahingehend, daß hier
tatsächlich eine beträchtliche militärische
Schlagkraft existiert; ein Angriff führte gewiss
ins Desaster. Was also dann?


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