M. Lüders der Schmock

Sarah @ Betty (2), Mittwoch, 23. April 2003, 13:59 (vor 7887 Tagen) @ Betty

Liebe Betty,

hier Teil 2 meiner Antwort:

andererseits der
Kommunistischen Partei der Sowjetunion zur
Alleinherrschaft zu verhelfen, was dann
seinerseits Millionen von politisch Verdächtigen
das Leben kostete.


Dieser Faktor (der auch mit dem Partei- und
Staatsaubau basierend auf dem "demokratischen
Zentralismus" zusammenhängt) allein zeigt die
Unreife der damaligen Bedingungen in Rußland auf.
Der Kleinbürger und Bonapartist Stalin machte aus
der Isolierung Rußlands den "Sozialismus in einem
Land" und wurde mehr und zum Diktator.

Der Kommunismus hatte seine historische Chance.


Überlege Dir mal, wie lang es gedauert hat, bis
sich die bürgerliche Revolution - allein nur in
Europa - durchsetzte? In Deutschland fand sie erst
- und dies auch nur deshalb, weil die
Spezialdemokratie regelrecht auf den
Regierungsthron gehievt wurde um Schlimmeres zu
verhüten - 1918 statt... Die bürgerliche
Revolution in Deutschland hatte 1848/49 eine
"historische Chance". Nach Deiner Logik hätte
Ebert 1918 also den Kaiser an der Macht belassen
müssen, weil die "historische Chance" 1848/49
nicht genutzt worden war?

Schon wegen der Diskrepanz zwischen seinem
Anspruch und seinem Handeln gehört er auf den Müll
- gleich neben den Nationalsozialismus.


Der Faschismus und Nationalsozialismus entstand
inmitten einer bürgerlichen und auf Wertproduktion
beruhenden Gesellschaftsordnung. Das Scheitern der
Arbeiterrevolution bzw. dessen historischer Chance
1917-1923 basiert auf einem für die
Arbeiterbewegung ungünstigen Kräfteverhältnis,
wozu auch Unzulänglichkeiten innerhalb der
kommunistischen Bewegung mit beigetragen haben.
Menschen machen Fehler und sie können in ihrem
Begehren scheitern, aber Fehler zu einem nicht zu
korrigierendem Faktor zu deklarieren ist weitaus
schlimmer, denn dies verhindert jeden Neubeginn
und macht die von Menschen gemachte Geschichte zu
einem Scheiterhaufen.

Wie oft haben Menschen vom Altertum bis in die
Neuzeit hinein versucht, fliegen zu können bzw.
Flugmaschinen zu entwickeln und wie oft sind sie
dabei abgestürzt? Nach Deiner Logik hätten sie ihr
Begehren, zu fliegen aufgeben müssen.
Nun ja. Hat auch was für sich: es würde keine
Bomberstaffeln, Flugzeugträger geben und auch der
11. September 2001 wäre uns erspart geblieben und
die Twin Towers würden nun noch stehen...
Aber denkst Du wirklich, dass Deine
Geschichtslogik ein Vorteil für den menschlichen
und gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß
beinhaltet? Kann man menschliches Begehren nach
Glück und einem guten Leben wirklich auf den Müll
werfen? Oder ist dies nicht ein Verbrechen an der
menschlichen Leidenschaft, das Leiden und die
Leidkultur zu überwinden?


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum