Moralische Instanzen Deutschland, UNO

GegenGerd@Evi, Dienstag, 22. April 2003, 12:22 (vor 7885 Tagen) @ Evi Dentz @ Erbarmen

dass
Deutschland sich demnächst in einem Verband, dem
z.B. noch Holland, Norwegen und Dänemark
angehören, aufmachen wird, die Welt in ähnlich
missionarischer Weise umzugestalten, wie das die
USA derzeit versuchen, halte ich persönlich für
unwahrscheinlich.

Einmal davon abgesehen, daß Norwegen, Dänemark und
die Niederlande aufgrund ihrer historischen
Erfahrungen mit der deutschen Außenpolitik wohl in
absehbarer Zeit alles tun werden, aber nicht
ausgerechnet mit Deutschland Allianzen schmieden,
die Europa spalten würden - da stimme ich Ihnen zu
- werden diese Staaten künftig wie bisher vielmehr
einen hohen Wert vor allem auf wen legen? Den
schrecklichen Imperialisten USA. Genauso geht es
den Polen, den Tschechen, und all den Ländern, die
erfahren durften, wie friedfertig Deutsche und
Russen sein können. Leider werden solche Sorgen
aber heute beiseite gefegt, indem man eine
politisch-historisch extrem einfühlsame und
mindestens ebenso machtpolitisch-egoistische
Verbindung Paris-Berlin-Moskau errichtet (mit den
Menschenfreunden in Peking als stillem Teilhaber)
und sich dann nicht einmal mehr dagegen verwehrt,
wenn das ganze sensiblerweise als ´Achse´
bezeichnet wird. Fragen Sie doch einmal einen
Niederländer, einen Polen, einen Norweger, mit wem
sie die negativeren Dinge verbinden und vor
welchen potentiellen ´Hegemon´ sie mehr Angst
haben! Aber auch das interessiert hierzulande
scheinbar keinen mehr. Willkommen zurück in der
Welt der (Möchtegern)-Großmachtpolitik! Bis wir
vielleicht irgendwann einmal, nach einer weiteren
solchen Aktion, nicht mehr wie heute ´von Freunden
umzingelt´ sind und dumm gucken, was wir da
eigentlich angerichtet haben...

Was die Teilnahme an zukünftigen
Kriegen keineswegs ausschließt - nur das
hegemoniale Interesse erscheint mir fragwürdig.

Daß ständig von hegemonialem Interesse die Rede
ist, finde ich im übrigen auch sehr fragwürdig.
Amerika hat in der Region sicher enorme
Sicherheitsinteressen. Das sind allerdings
Interessen, die ich zumindest bis zu einem
gewissen Punkt teile, weil es m. E. einfach ein
Faktum ist, daß die Region ein Pulverfaß ist und
ein Aufrechterhalten dieses status quo immer
schwieriger und übrigens auch moralisch immer
bedenklicher. Sie haben sicher auch
Wirtschaftsinteressen. Und auch hier stehen die
USA schließlich mit ihrer Sicht keineswegs allein
da. Deshalb aber von Hegemonie zu sprechen halte
ich für überzogen. Und wenn man sich ein bißchen
mit den Mechanismen amerikanischer Außenpolitik
auskennt, insbesondere mit der Art, wie die
Bevölkerung Außenpolitik bewertet, sollte einem
eigentlich klar sein, daß eine Hegemonialpolitik
in dem Sinne, wie sie den USA immer wieder
unterstellt wird, quasi gar nicht machbar wäre,
weil die Bevölkerung das niemals unterstützen
würde, sobald die heimische Wirtschaft zu sehr
darunter leiden müßte. Nicht umsonst wird
schließlich jetzt schon Skepsis laut, ob die USA
sich ausreichend am Wiederaufbau im Irak
beteiligen werden. Von Afghanistan ganz zu
schweigen. Ich denke, Umgestaltung der Region
Mittlerer Osten unter Einfluß amerikanischer
Vorstellungen und mit amerikanischer Beteiligung
ist etwas GANZ anderes als imperialistische
Hegemonialpolitik. Zu einer - möglichst
friedlichen - Umgestaltung der Region hätte sich
in meinen Augen übrigens auch Europa einstimmig
bekennen und dann aktiv daran mitwirken sollen.
Vielleicht wäre dann sogar dieser Krieg zu
vermeiden gewesen, auf jeden Fall aber das
Dilemma, was wir jetzt haben. Stattdessen haben
sich manche europäische Staaten aber ohne jegliche
Visionen auf den status quo berufen und die
Hoffnung gehegt, das könne alles auf ewig so
weitergehen, und der 11. 9. wird der einzige
bleiben oder zumindest nicht nach Europa
überschwappen, solange wir uns nur schön
raushalten und vielleicht noch ein paar Waffen in
die Region liefern. Und ansonsten Mord und
Totschlag auf Dauer weiter frei walten lassen.


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