US-Medien im Krieg

GegenGerd@E.D., I, Sonntag, 18. Mai 2003, 20:13 (vor 7859 Tagen) @ Evi Dentz @ GG 2

Diesmal extrem lange Antwort; ich bitte um
Verzeihung... :-)

Selbstverständlich gibt es nirgendwo eine völlig
neutrale Berichterstattung. Jeder Autor bringt
seine eigene Perspektive mit ein. Dies trifft
banalerweise auch für deutsche Journalisten zu.

Warum unterstellen Sie dann aber im einen Fall
quasi-staatliche Lenkung und bejubeln das im
anderen Fall als Pressefreiheit? Auch hier wieder:
Den Amerikaner wird alles Schlechte unterstellt,
und wir loben uns für dasselbe, was wir an ihnen
kritisieren.

bitte ich Sie, mir das zu
beweisen. Zeigen Sie mir Artikel, die so geifernd
und hetzerisch sind wie z.B. die von Ralph Peters,
Joseph Farah oder Ann Coulter.

Lesen sie z. B. taz oder FR, dann werden Sie so
etwas durchaus in schöner Regelmäßigkeit finden.
Oder, was unsere ‚Intellektuellen´ betrifft, z. B.
Ernst Otto Czempiel oder Grass. Oder Eugen
Drewermann, der übrigens bei ‚Vorsicht, Friedman!´
Bush und Saddam gleichgesetzt hat, und dies dann
auf Nachfrage damit begründete, dass Bush von
seinem Vermögen Zinsen erhalte, was unmoralisch
sei (wortwörtlich so)!!! Vielleicht nicht ganz so
martialisch in der Wortwahl wie die zitierten
Amerikaner, dafür dann aber mit einer um so
gesünderen Hand voll moralischer Überheblichkeit
und Selbstherrlichkeit. Aber das ist ja irgendwo
auch Meinungsvielfalt: Da kommen auch Leute zu
Wort, die relativ extreme Positionen vertreten. In
Deutschland ist das eine Tugend. In Amerika
staatliche Medienlenkung und Todsünde.
Ein zentraler Unterschied zu den Medien der USA
liegt übrigens ferner z. B. darin, dass in der
Regel die Trennung von Nachricht und Kommentar in
deutschen Medien weitaus weniger stringent
verfolgt wird als dort (nehmen wir mal FOX aus).
Dafür fallen dann zugegebenermaßen dort die
Kommentare häufig deutlicher - in die eine oder
andere Richtung! - aus. Aber das ist auch m. E.
weitaus unproblematischer, da es als solches
gekennzeichnet wird, als die Art und Weise wie
hierzulande oft allein durch die Wortwahl,
Betonung o. ä. massiv Wertungen eingebaut werden,
die als Fakten rüberkommen. Dazu gibt es übrigens
wunderbare kommunikationswissenschaftliche
Studien, die das bestätigen.

Bitte zeigen Sie mir Beispiele! Sowohl für die
riesengroße Empörung als auch für die schiefen
Darstellungen in Bezug auf Schutzschilde. Dass an
Stellen, wo Sie Empörung erwarten, keine gezeigt
wird, ist jedenfalls KEINE Propaganda.

Das lässt mich nun wirklich zweifeln, inwieweit
Sie überhaupt die Berichterstattung verfolgt
haben. Für ARD und ZDF gab es an dem Tag damals
kaum ein anderes Ereignis, über das berichtet
wurde. Im übrigen sage ich nicht, dass über die
Schutzschilde verzerrt berichtet wurde. Man kann
das so neutral senden. Dann muß man aber
wenigstens auf der anderen Seite genauso neutral
bleiben und da dann nicht mit Betroffenheitsmiene
nahe legen, dass die Amerikaner schießwütige
Rambos sind, die auf nichts anderes warten, als
bei erster Gelegenheit ein ziviles Fahrzeug samt
Insassen zu Klump zu schießen.
Anderes Beispiel: Behandlung der Kriegsgefangenen.
Die Iraker zeigen im gelenkten Staatsfernsehen
entwürdigende Interviews mit Nahaufnahmen, die
eindeutig die Genfer Konventionen verletzen (Die
neutralen Rotkreuz-Mitarbeiter, die das
bestätigen, sieht man allerdings nur auf CNN
International, nicht in der ARD oder im ZDF!).
Rumsfeld prangert dies an. Die deutschen Medien
(insbesondere das ZDF) empören sich aber nicht
etwa über diese Bilder, sondern sprechen vielmehr
empört von verlogener Heuchelei, weil die
Amerikaner es doch genauso machten. Fakt dagegen:
Auf den Videos der irakischen Gefangenen, die
übrigens von eingebetteten Journalisten gemacht
wurden und auf einem freien Medienmarkt in Umlauf
kamen (hätte man das nicht zugelassen, wäre wieder
die Zensurpraxis der Amerikaner kritisiert
worden), war niemand in Nahaufnahme zu sehen,
niemand wurde interviewt und persönlich
bloßgestellt. Zwei ganz unterschiedliche Dinge,
wobei die Amerikaner die viel geringere
Verwerflichkeit begangen haben, aber den
Löwenanteil der Kritik und moralischen Verachtung
abbekommen.

Zweitens
kann ich mich sehr gut auch an die vielen
Vertreter einer pro-amerikanischen Meinung während
der Irak-Diskussion erinnern.

Es gab ein paar, das stimmt. Aber doch sehr
wenige. Und mit Kriegsbeginn waren die völlig von
der Bildfläche verschwunden. Bis irgendwann, als
der Krieg entschieden war, Enzensberger und
Karasek zu Wort kommen durften, wurde diese
Haltung, die übrigens immerhin von einer nur
geringfügig kleineren Minderheit in Deutschland
vertreten wurde, als jene der expliziten
Kriegsgegner in den USA zu Kriegsbeginn,
systematisch geschnitten. Pro-amerikanische
Haltungen durften dann allenfalls nur noch
Amerikaner selbst vertreten oder Exil-Iraker,
deren Meinung aber komischerweise hierzulande
überhaupt niemanden interessiert hat. Nicht einmal
die Bundesregierung, die laut deren Aussagen nie
mit Exilanten gesprochen hat.


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