Die Schimäre des Völkerrechts

Zeus, Mittwoch, 23. April 2003, 15:55 (vor 7884 Tagen)

Werte Brodelkästner,

untenstehend ein längeres Fragment (Im wahrsten
Sinne des Wortes) zur Völkerrechts-Schimäre. Teil
1 zum Staat, Teil 2 zu Völkerrecht und USA:

Zum Völkerrecht


-Minianalyse-


Der Hinweis auf den Bruch des Völkerrechtes wurde
wiederholt als Argument gegen den Iraq-Krieg
gegeben; das Gegenargument lautete, daß das
geltende Völkerrecht innerstaatliche Gewalt nicht
verhindern könne und mithin keine Handhabe gegen
ein »neues Auschwitz« biete. Gleichwenn die
Verteidiger des Völkerrechts-Argumentes richtig
darauf verweisen, daß das Völkerrecht den
zwischenstaatlichen Verkehr regelt und also
»Auschwitz« nicht in dessen Wirkbereich fällt,
bleibt diese Entgegnung zum Einen unbefriedigend,
weil man sich trotzdem nach einer »höchsten
Instanz« sehnt, die »Auschwitz« verhindern könnte
und zum Anderen verkennt sie eine tiefere
Wahrheit, welche die Völkerrechtsgegner
(wahrscheinlich ohne sich dessen bewußt zu sein)
in ihrer Argumentation verborgen halten: Das
Völkerrecht dient faktisch der Sicherung des
staatlichen Gewaltmonopols.

Der Staat - jeder Staat - ist ein konservatives
Machtinstrument (konservativ: konservierend; kein
Werturteil). In erster Linie bewerkstelligt er den
Fortbestand der gesellschaftlichen Verhältnisse,
insbesondere der Machtverhältnisse. Um diesen
Anspruch durchzusetzen erhebt er das (oft
aussschliessliche) Gewaltmonopol in der
Gesellschaft, d.h. er legitimert die Anwendung von
Gewalt in seinen Interessen und vermittels seiner
»Organe«. Man beachte, daß dies lediglich eine
Schilderung ist, die sich jeder Wertung zu
enthalten sucht: In diesem Gewaltmonopol, liegt
sowohl Nützliches, als auch Verwerfliches.
Nützlich ist der alleinige Gewaltanspruch, wo er
dem Schutze der Menschen dient (wahrscheinlich der
mehrheitliche Fall staatlicher Gewaltanwendung:
Gefängnis, Geldbußen); verwerflich beispielsweise,
wo der Schutz der Eigentumsverhältnisse auf Kosten
des Schutzes menschlichen Lebens durchgesetzt
wird.
Viel Uneinigkeit herrscht, wie weit das
Gewaltmonopol des Staates gehen soll (Was ist
»erlaubt«? Todesstrafe?) und wie leicht es in
Anschlag gebracht werden kann (Überwachungsstaat?
Denunziationen?). Überdies gibt es eine radikalere
Auffassung, nach welcher solche Diskussionen
unsinnig, weil kosmetischer Natur seien, und die
in der Folge das staatliche Gewaltmonopol
überhaupt ablehnt (und damit auch den Staat, der
ohne Gewalt nicht durchsetzbar ist).

Es sollte dem Leser klar sein, daß jeder Staat zur
Durchsetzung seiner konservativen Interessen so
viel Gewalt anwenden wird, als ihm dazu nötig
scheint; in diesem Zusammenhange hat es noch
keinen Staat gegeben, der sich selbst nicht auch
das Recht zu töten zugestanden hätte; ob es die
Geheimdienste waren, die Polizei, die Armee oder
die Justiz: Wenn es nach herrschender Vorstellung
»ans Eingemachte« ging, wurde gestorben, mal in
vermeintlicher oder tatsächlicher Notwehr, mal
präventiv, mal »aus Prinzip«. Daß in jedem Staat
diese prinzipielle Bereitschaft schlummert,
äußerste Gewalt anzuwenden, ist der Staatsidee
inhärent und kann von allen Befürwortern einer
staatlich organisierten Gesellschaft nicht
geleugnet, oder als »schlechte« , »überwindbare«
Seite des Staates angesehen werden. Es ist ein
intrinsisches Merkmal von Staaten.

Wenn des Staates Gewaltmonopol nach innen
gesichert ist, bleibt ihm nur noch die Bedrohung
von außen. Das Gewaltmonopol eines Staates könnte
durch Gewaltanwendung von anderen, im
ungünstigeren Falle militärisch überlegenen
Staaten, gebrochen werden, wodurch der Staat
seiner Grundfunktion »zu konservieren« verlustig
ginge. Hier kommt das Völkerrecht ins Spiel; von
ihm erhoffen sich die Staaten der Erde eine
Minimierung dieser Gefahr. Aus dieser Sicht ist
das Völkerrecht lediglich eine Verlängerung des
staatlichen Anspruchs auf alleinigliche Willkür;
jegliche weitere Willkür - ob des eigenen oder
eben eines andren Volkes - soll unterbunden
werden. Frieden - d.h. Ausschluß militärischer
Gewalt zwischen den Staaten - dient in dieser
Perspektive der Maximierung innerstaatlicher
Macht.

Dies also ist die Zweischneidigkeit des
Völkerrechtes: Einerseits dient es der Vermeidung
zwischenstaatlicher Gewalt, andererseits ist es
ein zutiefst bürgerliches Recht, welches das
Gewaltmonopol der (National-)Staaten sichert. Es
dient der Moderierung bürgerlicher Interessen,
anstatt jene selbst vor den Richter zu führen.


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