Klangbox

NN, Samstag, 24. April 2021, 23:45 (vor 1319 Tagen) @ Udosefirot
bearbeitet von NN, Sonntag, 25. April 2021, 00:23

"Normalerweise fehlt mir für Oper die Hirnwindung,"

Schade, denn es ist ein eigenes Universum;


Soviel weiß ich schon.

am Ende eine Mesalliance von Musik,
Interpreten, Bühnenbild, Inszenierung + dem X = Stimmung. Aber Oper ist eine
Nische der Kultur geworden, als Fan gilt man fast schon als Freak.

Oper ist eine Kunstform, die Anforderungen stellt - ohne Frage. Wer aber bei dem
heutigen Bildung System kann denn noch ein Instrument spielen, etwas, was in meiner
Jugend zu Bildung gehörte? Das fehlt Heute!

Du hast insofern Recht, als die musikalische Gattung Oper heutzutage noch weiter eingenischt ist als in vergangenen Jahrzehnten. Aber wenn ich mich geistig in der Generation meiner Eltern und Großeltern so umschaue, fallen mir zwar einige wie auch immer musisch gebildete Personen ein, die ein Instrument spiel(t)en und/oder musikalisch gebildet waren / sind - aber bei weitem nicht alle darunter waren / sind Opernhörer oder Operngänger. Ohne damit despektierlich sein zu wollen, habe ich den Eindruck, dass der klassische musische Bildungskanon schon in den 50er, 60ern, 70ern und 80ern eher von Sinfonien und diversen instrumentalen Solostücken/Solokonzerten geprägt war, als durch die Oper.

(Und zumal bekam die komplexe Kunstform Oper durch ihr popkulturelles, leichter konsumierbares Kind*, das Musical, ab Ende der 60er-Jahre Konkurrenz.**)

Daneben bin ich mir nicht sicher - soll heißen: ich weiß es wirklich nicht genau! -, ob der gesunkene Stellenwert der klassischen Musik (im weitem Sinne) und die damit einhergehende gesunkene Instrumentenspielquote vor allem auf das Bildungssystem bzw. weniger / schlechteren(?) Musikunterricht zurückzuführen sind. Ich vermute, dass eine Veränderung der Prioritäten in (vor allem) bildungsbürgerlichen Haushalten hierfür mindestens im selben Maße verantwortlich ist. Sei es nun bedingt durch Veränderungen innerhalb von Elterngenerationen oder durch Veränderungen in den Kindergenerationen.

Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir auf Anhieb mehrere praktisch musizierende, teils Musik unterrichtende Eltern ein, deren Kinder gar kein Instrument beherrschen, auch nicht für den weniger elaborierten Hausgebrauch.

Was ein gutes Stichwort ist. Möglicherweise kommt im gegebenen Zusammenhang noch ein technischer bzw. funktionaler Aspekt dazu: Durch die zunehmend einfachere technisch-praktische Verfügbarkeit von Musik im Allgemeinen wurde es funktional gesehen weniger notwendig, dass Musik für den Hausgebrauch im engen oder auch weiteren Sinne beherrscht wurde. Es bestand immer weniger eine Bewandtnis dafür, Musik - auf welchem Niveau oder zu welchem Anlass auch immer - auch selber machen zu können.

Und obendrauf kommt weiter, dass sich der gleichwohl nach wie vor existierende musikalische Hausgebrach stark geändert hat: Wenn man singt, singt man seltener im Kirchenchor oder weniger in irgendeiner Weise klassisch. Und wenn man ein Instrument spielt, dann spielt man häufiger (E-)Gitarre, Schlagzeug oder Bass - schon vergleichsweise seltener ein Tasteninstrument. Will sagen: Der musikalische Hausgebrauch, aus dem wahrscheinlich mitunter (auch von der sozialen Schicht unabhängig) Talente gewachsen sind, hat sich ab den 50ern zunehmende von der klassischen Musik im Allgemeinen und der Oper im Besonderen entfernt.

Mein Großvater mütterlicherseits spielte z.B. als Jugendlicher und junger Mann wohl passabel ein Blasinstrument (bedingt durch einen Hörschaden hat er später kaum noch Musik gehört). Heute spielen zumindest weniger Leute für den Hausgebrauch ein Blasinstrument, wenn sie denn für den engen oder erweiterten Hausgebrauch ein Instrument spielen können.

Feuerwehrkapellen, Bergmannsspielzüge, Militär- und altbackene Karnevalsmusik - dergleichen gibt es zwar noch, ist aber in Summe doch seltener geworden.

Das Besondere an Opern Freaks, ist dann auch die Affinität zu Stimmen.

Aber die hat eben nicht jeder, der bewusst Musik hört - zumindest nicht durchgehend. Eine Freundin meiner Eltern ist z.B. Klavierlehrerin, eine Affinität zu Stimmen hat sie nicht, auch wenn sie nicht ausschließlich von Gesangstimmen freie Musik hört.

Als interessierter musikalischer Laie kann ich etwa zwar sagen, dass Opernstars tatsächlich toll singen können bzw. auch innerhalb ihres Fachs herausstechen. Was man spätestens dann feststellen kann, wenn man sich die Mühe macht, Aufnahmen / Passagen zu vergleichen.

Operngesang hat jedoch auch einen Manierismus. Persönlich komme ich mit diesem Manierismus häufig nicht klar, auch wenn mir bewusst ist, dass der betreffende Sänger wahrscheinlich jede Note trifft und dynamische Nuancen beherrscht.

Und dann gibt es auch im Universum des popkulturellen Gesangs, sozusagen der kulturelle Nachfolger der Volksmusik und Teilen der Kirchenmusik, Manierismen, mit denen ich wenig anfangen kann oder bei denen ich sogar aggressiv werde. Auch wenn ich weiß, dass das, was ich da höre, mitunter auch auf Könnerschaft basiert, und nicht immer nur auf bloßer Eingängigkeit.


* Wir können auch gerne darüber diskutieren, ob das Musical sozusagen der regressive Mutant der Oper ist. Wahrscheinlich ist es nur der Nachfolger der Operette oder praktisch die Operette in einem neuen Schlauch.

** Ganz subjektiv: Ehe ich mir irgendein Musical reinziehen müsste, würde ich mir drei Opern reinziehen: ich schwöre! Außer: Die Zauberflöte. Von der fühlte ich mich als Schulkind durch meinen Musiklehrer belästigt; ich kann bis heute diesen in meinen Ohren braven Tralala-Mozart in Dur nicht gut vertragen. Das 20. Klavierkonzert in d-moll, was er uns natürlich nie vorspielte: Immer wieder gerne. Und als Kind sollte ich in der Montessori-Grundschule Sachen wie "Im Frühtau zu Berge wir ziehen fallera.." singen. Ich dachte schon damals: "Wieso lassen du uns solche nur albern klingenden Sachen singen. Gibt es nichts anderes, was man singen kann?!" Wahrscheinlich hätte ich schon damals irgendeine Messe cooler bzw. seriöser gefunden.


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